Verfahrensgang

AG Naumburg (Beschluss vom 26.04.2001; Aktenzeichen F 179/99)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Naumburg vom 26. April 2001 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 01. August 2001 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Familiengericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Die am 23. September 1961 geborene Antragsgegnerin begehrt von dem am 09. Dezember 1958 geborenen Antragsteller Zugewinnausgleich.

Am 18. April 1984 heirateten die Parteien. Die Ehe blieb wegen einer Erkrankung der Antragsgegnerin kinderlos. Am 28. Juni 1999 reichte der Antragsteller den Antrag auf Scheidung der Ehe ein, der am 17. August 1999 rechtshängig wurde. Am 20. September 2000 beantragte die Antragsgegnerin die Gewährung von Prozesskostenhilfe für einen Stufenantrag auf Auskunft und Zahlung von Zugewinnausgleich, bezogen auf das Endvermögen des Antragstellers am 17. August 1999.

Der Antragsteller hatte nach der Wiedervereinigung ein Bauunternehmen gegründet, mit dem er – vor Steuern – im Jahre 1996 einen Gewinn von DM 294.727,93 und im Jahre 1997 einen Gewinn von DM 180.458,73 erwirtschaftete (Bl. 78 d.A.). Demgegenüber erwirtschaftete die Antragsgegnerin keinen Zugewinn.

Am 12. März 1998 trafen die Parteien eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung, mit der sie Gütertrennung vereinbarten und mit der die Antragsgegnerin – gegen Zahlung von DM 10.000,– – auf weiter gehenden Zugewinnausgleich verzichtete. Außerdem verzichtete die Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt, und zwar „auch für den Fall der Not”. Ergänzend schlossen die Parteien den Versorgungsausgleich aus (Bl. 18 ff. UA Ansprüche aus Güterrecht).

Mit Schreiben vom 20. August 1999 erklärte die Antragsgegnerin – die vorträgt, gegenwärtig auf Sozialhilfe angewiesen zu sein – die Anfechtung der Vereinbarung wegen arglistiger Täuschung und berief sich – unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme einer Diplom-Psychologin (Bl. 53 f. d.A.) sowie auf ein vom Familiengericht eingeholtes nervenärztliches Gutachten (Bl. 85 ff. d.A.) – darauf, von dem Antragsteller nach wie vor psychisch abhängig zu sein. Der Antragsteller habe unmittelbar vor dem Abschluss der Vereinbarung vom 12. März 1998 erklärt, sie „keinesfalls” zu benachteiligen. An eine Belehrung durch den Notar könne sie sich nicht erinnern. Bei dem Abschluss der Vereinbarung habe sie nicht gewusst, worum es ging. Diese Umstände seien für die Vereinbarung ursächlich. Dessen und der mit der Vereinbarung verbundenen nachteiligen Folgen sei sie sich erst auf Grund einer Besprechung mit ihrem Prozessbevollmächtigten am 19. August 1999 bewusst geworden (Bl. 16 f. d.A.).

Mit Beschluss vom 26. April 2001 hat das Familiengericht die Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht abgelehnt (Bl. 143 ff. d.A.) und der Beschwerde der Antragsgegnerin – mit der sie sich ergänzend auf ein krasses Missverhältnis zwischen vereinbartem und gesetzlich geschuldetem Zugewinnausgleich beruft – mit Beschluss vom 01. August 2001 nicht abgeholfen (Bl. 166 f. PkH-Heft).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die – zulässige – Beschwerde der Antragsgegnerin (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) ist begründet.

1. Zutreffend ist allerdings die Erwägung des Familiengerichts, dass es zweifelhaft erscheint, ob die Antragsgegnerin bei dem Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 12. März 1998 über den Inhalt ihrer Willenserklärungen im Irrtum gewesen ist (§ 119 Abs. 1 BGB). Ihr Vortrag, nicht gewusst zu haben, worum es ging, lässt nicht auf einen zur Anfechtung berechtigenden Inhaltsirrtum schließen, sondern auf einen bloßen Irrtum über Rechtsfolgen ihrer Erklärung, der nicht zur Anfechtung berechtigt (vgl. Soergel/Gaul, BGB, 12. Aufl., § 1408 Rdn. 42).

2. Damit ist die rechtlich gebotene Prüfung aber noch nicht erschöpft.

a) Der Vortrag der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe ihr erklärt, sie „keinesfalls” zu benachteiligen, deutet auf eine arglistige Täuschung durch den Antragsteller hin, die ein Anfechtungsrecht begründet (§ 123 Abs. 1 BGB), zumal die Antragsgegnerin – ausweislich der notariellen Urkunde – vom Notar nicht über die rechtliche Tragweite der Vereinbarung über den Zugewinnausgleich (zu Ziffer 3.) belehrt worden ist (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1987, 953 f.). Letzteres gilt auch für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs (zu Ziffer 4.). Die Anfechtungsfrist (§ 124 BGB) ist nach Darstellung der Antragsgegnerin gewahrt.

b) Im übrigen hat das Familiengericht nicht beachtet, dass die Scheidungsfolgenvereinbarung der Inhaltskontrolle nach §§ 138, 242 BGB unterliegt.

So sind der Freiheit von Ehepartnern zur vertraglichen Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen durch Eheverträge unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) Grenzen gesetzt, wo die Vereinbarung objektiv zwangsläufig zur Sozialhilfebedürftigkeit eines Vertragsschließenden führt (BVerfG, FamRZ 2001, 343, 344; ferner BGH, FamRZ 1983, 137; BGH, NJW 1987, 1546, 1548). Letzteres kommt nach Dars...

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