Leitsatz (amtlich)

Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners richtet sich nicht nach den Regeln des Vollstreckungsrechts, sondern dem materiellen Recht, wobei Verbindlichkeiten die Leistungsfähigkeit grundsätzlich auch dann mindern können, wenn der Unterhaltsschuldner durch die Schuldentilgung außerstande ist, den Mindestunterhalt zu sichern.

 

Verfahrensgang

AG Weißenfels (Beschluss vom 09.10.2002; Aktenzeichen 5 F 298/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des AG Weißenfels vom 9.9.2002 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 9.10.2002 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die Beschwerdeführerin begehrt Prozesskostenhilfe für ein Verfahren auf Ersttitulierung des Unterhalts für ihre am 24.11.1986 in der Ehe mit dem Beklagten geborene gemeinsame Tochter. Hierbei begehrt sie 115 % des Regelbetrages gem. § 2 der RegelbetragsVO und begründet dies damit, dass der Beklagte ein entsprechendes Arbeitseinkommen erziele, bzw. er für den Zeitraum seiner nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses eingetretenen Arbeitslosigkeit nicht dargelegt habe, dass er seiner erhöhten Erwerbsobliegenheit gem. § 1603 Abs. 2 BGB entspr. Arbeitsbemühungen unternommen habe. Der Beklagte verteidigt sich damit, dass er selbst dann nicht leistungsfähig sei, wenn man ihm das ursprünglich erzielte Arbeitseinkommen fiktiv unterstellte. Denn es müssten von seinem Einkommen erhebliche Verbindlichkeiten abgezogen werden, die bereits während des ehelichen Zusammenlebens mit der Mutter der gemeinsamen Tochter auf Grund eines ursprünglich einmal selbständig geführten Gewerbebetriebes entstanden sind. Hierzu hat er entspr. Zahlungsaufforderungen, vollstreckbare Titel und Zahlungsvereinbarungen vorgelegt aus denen sich ergibt, dass selbst bei dem ursprünglich einmal erzielten Einkommen nach Abzug dieser Verbindlichkeiten lediglich ein Betrag von unter 750 Euro monatlich verbliebe. Das AG hat vor diesem Hintergrund den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe der Klägerin abgewiesen mit der Begründung, der Beklagte sei gegenwärtig nicht leistungsfähig. Die Klage böte insoweit keine Aussicht auf Erfolg.

Hiergegen hat die Beschwerdeführerin sofortige Beschwerde eingelegt und begründet diese damit, dass es dem Beklagten wegen der sich aus § 1603 Abs. 2 BGB ergebenden erhöhten Erwerbsobliegenheit obläge, einen Antrag auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung gem. §§ 304 ff. InsO zur Erhöhung seiner Leistungsfähigkeit zu stellen.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das AG hat zu Recht Prozesskostenhilfe versagt, weil die Klage keine Aussicht auf Erfolg bietet. Zutreffend ist das AG davon ausgegangen, dass selbst wenn man das bei seiner unselbständigen Tätigkeit erzielte Arbeitseinkommen des Beklagten als Grundlage zur Berechnung eines Unterhaltsanspruchs heranzöge, dieser im Hinblick auf die ehebedingten Verbindlichkeiten nicht leistungsfähig ist. Die Ansicht, dass der Beklagte durch Stellung eines Insolvenzantrages mit Restschuldbefreiung i.S.v. §§ 304 ff. InsO sein Einkommen und damit seine Leistungsfähigkeit erhöhen könnte, überzeugt nicht. So hätte die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens zunächst lediglich zur Folge, dass die bis zur Eröffnung angefallenen Unterhaltsschulden zu den übrigen Verbindlichkeiten hinzugezählt werden, während auf die laufenden Unterhaltsverpflichtungen die Verfahrenseröffnung keine Auswirkungen hätte. Letztere genießen während des Verfahrens nach der Insolvenzordnung keinen gesonderten Vorrang und werden von einer eventuellen Restschuldbefreiung nicht erfasst.

Vorliegend ist aber bereits die Zulässigkeit eines Verbraucherinsolvenzverfahrens problematisch. gem. § 304 Abs. 1 InsO können den Eröffnungsantrag nur natürliche Personen stellen, die keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben oder ausgeübt haben. Der Beklagte war aber vor Aufnahme seiner abhängigen Arbeit Selbständig und die Verbindlichkeiten deren Bewertung hier problematisch ist, stammen aus der selbständigen Tätigkeit des Beklagten. Zumindest für den Zeitraum vor der Gesetzesänderung (Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze v. 26.10.2001; BGBL I, 2710) war wohl die Eröffnung zulässig, wenn der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung seine selbständige Tätigkeit vollständig aufgegeben hatte (vgl. OLG Celle ZinsO 2000, 217). Für die formale Zulässigkeit des Verfahrens spricht allerdings, dass die Vermögensverhältnisse des Beklagten überschaubar sind und keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen gegen ihn geltend gemacht werden (§ 304 Abs. 1 S. 2 InsO). Andererseits soll das Verbraucherinsolvenzverfahren eine möglichst große Anzahl verschuldeter Haushalte erreichen, nicht aber bankrotte Unternehmer (vgl. Ley, MDR 2003, 205).

Selbst wenn hier aber die Zulässigkeit der Eröffnung aus § 304 InsO gegeben wäre, fehlt es an der weiteren Voraussetzung der Zahlungsunfähigkeit...

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