Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Verjährung von Schadenersatzansprüchen wegen eines Unfalls

 

Leitsatz (amtlich)

Hat ein Rentenversicherungsträger, dem Schadensersatzansprüche gem. § 116 SGB X und Beitragsansprüche gem. § 119 SGB X zustehen, nur die Beitragsansprüche gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers geltend gemacht, so kann sich der Versicherer auf die Verjährung der Schadensersatzansprüche berufen. Das setzt voraus, dass sich die Anmeldung von Ansprüchen gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer (vor Eintritt der Verjährung) ausnahmsweise klar und eindeutig auf den Beitragsregress beschränkte und dass auf der Grundlage des Empfängerhorizontes auch ein entsprechender Beschränkungswille anzunehmen war.

 

Normenkette

SGB X §§ 116, 119 Abs. 1; VVG § 115 Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

LG München II (Urteil vom 14.09.2017; Aktenzeichen 12 O 4343/15)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten vom 17.10.2017 wird das Endurteil des LG München II vom 14.09.2017 (Az. 12 O 4343/15) in Nr. I., II. und III. abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 4.419,39 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 3.797,96 seit 01.08.2015 sowie aus EUR 621,61 seit 24.01.2016 zu bezahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 100% aller auf sie nach § 119 SGB X übergangenen oder übergehenden Forderungen zu ersetzen, die aus dem Verkehrsunfall des Herrn M. R., geb. am 31.08.1987 vom 06.03.2009 im Gemeindegebiet A. resultieren.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits (erster Instanz) und des Berufungsverfahrens.

3. Das vorgenannte Urteil des Landgerichts sowie dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A. Die Geschädigte begehrt aus übergegangenem Recht Schadenersatz gemäß § 119 I SGB X und § 116 SGB X.

Die Klägerin ist die für den Geschädigten M. R. zuständige gesetzliche Rentenversicherung. Die Beklagte ist die KFZ-Haftpflichtversicherung des unfallverursachenden KFZ-Halters. Bei dem Unfallereignis vom 06.03.2009 gegen 16.00 Uhr im Gemeindegebiet A. wurde der Geschädigte R. verletzt. Er erlitt unter anderen eine Femurschaftfraktur offen links, einen Pneumothorax links, eine akute respiratorische Insuffizienz, eine Lungenkontusion, einen Abriss des Tuberculum majus humeri rechts und Quetschungen mit Beteiligung mehrerer unterer Extremitäten.

Hinsichtlich der beim Geschädigten eingetretenen weiteren Unfallfolgen sowie der durchgeführten Behandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils (EU S. 4 = Bl. 126 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 15.06.2010 (vgl. Anlage K 15) einen Schadensersatzanspruch gemäß § 119 SGB X bei der Beklagten angemeldet und für die Zeiträume 17.04.2009 bis 30.11.2009 und 20.03.2010 bis 01.04.2010 einen Beitragsregress von insgesamt 505,16 EUR verlangt. Diese mit Schreiben vom 15.06.2010 bei der Beklagten geltend gemachten Regressforderungen hat die Beklagte beglichen. Die von der Klägerin in diesem Rechtsstreit mit Anlage K 15 (vgl. dort Seite 3) vorgelegte Kontierungsübersicht lag dem an die Beklagte gerichteten Schreiben der Klägerin vom 15.06.2010 tatsächlich nicht bei.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 10.06.2015 (vgl. Anlage K 13) einen Beitragsregress gemäß § 116 SGB X angemeldet und Ersatz für Rehabilitationsmaßnahmen in Höhe von insgesamt 92.720,47 EUR verlangt sowie einen Beitragsschaden für die Zeit ab 02.04.2010 dem Grunde nach angemeldet.

Die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 21.07.2015 (vgl. Anlage K 14) auf die Verjährung berufen und die Zahlung der Forderung abgelehnt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass hinsichtlich ihres Anspruchs nach § 116 SGB X keine Verjährung eingetreten sei. Durch das Schreiben vom 10.06.2015 (vgl. Anlage K 13) an die Beklagte seien die Beitragsregressforderungen der Klägerin bei der Beklagten angemeldet worden. Damit sei die Hemmungswirkung des § 115 II 3 VVG nach dem Grundsatz der Schadenseinheit, die auch eine Leistungsregressforderung mitumfasse, eingetreten. Die Verjährung sei gemäß § 115 II 3 VVG nach Anspruchsanmeldung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, in dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchssteller in Textform zugehe. Eine Entscheidung in diesem Sinn sei seitens der Beklagten nicht ergangen. Eine vorläufige Ablehnung, wie sie die Beklagte vorgerichtlich eingewandt habe, reiche hierzu gerade nicht aus.

Das Landgericht München II hat nach Beweisaufnahme der Klage in der Hauptsache vollumfänglich stattgegeben. Lediglich im Hinblick auf die begehrten Prozesszi...

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