Leitsatz (amtlich)

1. Ist in einem Kfz-Händlervertrag dem Unternehmer ein Recht zur außerordentlichen Kündigung für den Fall eingeräumt, dass Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vertragshändlers gestellt wird, so steht das nur bereichsspezifisch geltende Verbot sog. Lösungsklauseln in §§ 103 ff. InsO der Wirksamkeit dieser Regelung nicht entgegen.

2. Die Insolvenz des Handelsvertreters/Vertragshändlers berechtigt den Unternehmer zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 89a Abs. 1 HGB.

Der Ausgleichsanspruch entfällt nach § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB gleichwohl nur dann, wenn der Unternehmer darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass der Insolvenzgrund auf ein schuldhaftes Verhalten des Handelsvertreters/Vertragshändlers zurückzuführen ist.

3. Der Handelsvertreter/Vertragshändler ist berechtigt, nach § 273 Abs. 1 BGB die Nutzung der Kundendaten durch den Unternehmer von der Zahlung des gesetzlichen Ausgleichsanspruchs abhängig zumachen. Die Geltendmachung dieses Zurückbehaltungsrechts lässt den gesetzlichen Ausgleichsanspruch grundsätzlich nicht entfallen.

 

Normenkette

InsO § 103 ff.; HGB §§ 89a, 89b

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 17.10.2005; Aktenzeichen 14 HKO 7839/04)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des LG München I vom 17.10.2005 aufgehoben.

II. Die Beklagte ist dem Grunde nach verpflichtet, dem Kläger aufgrund des zwischen der Beklagten und der H.P. GmbH & Co. KG, N. bis zum 28.1.2002 bestehenden Vertragshändlerverhältnisses in entsprechender Anwendung des § 89b HGB einen angemessenen Ausgleich zu bezahlen.

III. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter der H.P. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) in Lübeck von der Beklagten Zahlung von Ausgleich nach Beendigung eines Vertragshändlervertrags. Die Insolvenzschuldnerin und die Beklagte standen seit 1960/1961 in Geschäftsbeziehungen. Zuletzt bestimmte sich das Vertragsverhältnis der Parteien nach dem Händlervertrag vom 1.7.1996 (Anlage K1). Dort ist in Ziff. 11.4 folgendes geregelt:

"Außerordentliche Kündigung durch B.

B. ist berechtigt, den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen, wenn der Händler eine der ihm obliegenden wesentlichen Verpflichtungen nicht erfüllt. Dies ist unbeschadet sonstiger wichtiger Gründe der Fall, wenn

a) der Händler zahlungsunfähig wird oder seine Zahlungen einstellt, Antrag auf Eröffnung des Konkurses, des gerichtlichen Vergleichsverfahrens über das Vermögen des Händlers oder seiner Inhaber gestellt wird; ..."

Mit Schreiben vom 10.1.2001 erklärte die Beklagte ggü. der Insolvenzschuldnerin die ordentliche Kündigung des Händlervertrags mit Wirkung zum 31.1.2003 (Anlage K 2).

Am 28.1.2002 stellte die Insolvenzschuldnerin Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Schreiben gleichen Datums (Anlage K 3) erklärte die Beklagte nunmehr die fristlose Kündigung des Händlervertrags unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Ziff. 11. 4a des Händlervertrags. Mit Schreiben vom 11.2.2002 (Anlage K 4) und seiner anwaltlichen Vertreter vom 7.3.2002 (Anlage K 5) machte der Kläger Ausgleichsansprüche geltend. Mit Schreiben vom 18.2.2002 (Anlage K 15) lehnte die Beklagte ggü. dem Kläger die Zahlung eines Ausgleichs ab und verwies dazu auf § 89b Abs. 3 HGB sowie die ihrer Ansicht nach nicht gegebene Anwendbarkeit des § 89b HGB auf B.-Händlerverträge.

Mit Schreiben seiner anwaltlichen Vertreter vom 20.6.2002 (Anlage B 1) teilte der Kläger der Beklagte u.a. folgendes mit:

"Nach Zahlung eines angemessenen Ausgleichs gem. § 89b HGB ist die Gemeinschuldnerin bzw. der Insolvenzverwalter selbstverständlich bereit, die Freigabe der gewünschten Daten zu erklären. Wir möchten höflichst bitten, zu dem von der Gemeinschuldnerin berechneten Ausgleichsanspruch, der Ihnen mit gesonderter Post in Kürze zugehen wird, kurzfristig Stellung zu nehmen. Rein vorsorglich weisen wir namens und in Vollmacht des Insolvenzverwalters darauf hin, dass Sie zu einer Weitergabe der Daten an das Autohaus H. oder an einen Dritten bzw. zur eigenen Nutzung der Daten nicht berechtigt sind."

Der Kläger ist der Auffassung, dass Ziff. 11.4a des Händlervertrags wegen Verstoßes gegen §§ 103, 119 InsO und gegen § 9 des AGBG unwirksam sei. Der Ausgleichsanspruch sei nicht nach § 89 Abs. 3 HGB ausgeschlossen, da der Insolvenzschuldnerin jedenfalls kein schuldhaftes Verhalten zur Last falle. Vielmehr habe die Beklagte durch ihre ordentliche Kündigung selbst den Insolvenzfall herbeigeführt.

Der Ausgleichsanspruch belaufe sich auf mindestens 357.904,32 EUR, nämlich den Betrag, den die Beklagte anlässlich der ordentlichen Kündigung für die Überlassung der Kundenkartei angeboten habe. Soweit die Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Zahlung des Ausgleichs hinsichtlich der Kundenkartei geltend gemacht habe, hindere dies den Anspruch nicht.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den K...

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