Leitsatz (amtlich)

Die von einem Automobilhersteller im September 2002 ausgesprochene Kündigung eines Händlervertrags zum 30.9.2003 wegen Umstrukturierung des Vertriebsnetzes im Hinblick auf das In-Kraft-Treten der Verordnung (EG) Nr. 1400/2000 und den Ablauf des diesbezüglichen Übergangszeitraums ist wirksam.

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 04.12.2003; Aktenzeichen 3HK O 9479/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 08.05.2007; Aktenzeichen KZR 14/04)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG München I vom 4.12.2003 – 3 HKO 9479/03 aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

V. Die Revision zum BGH wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der mit der Beklagten, einer Automobilherstellerin, geschlossene Händlervertrag vom 1.10.1996 durch die Kündigung der Beklagten vom 9.9.2002 nicht zum 30.9.2003 beendet worden ist.

In dem genannten Händlervertrag vom 1.10.1996 (Anlage K 1), bei dem es sich um einen von der Beklagten gestellten Musterhändlervertrag handelt, heißt es u.a.:

„11.3 Ordentliche Kündigung durch X.

X. kann den Vertrag mit einer Frist von 24 Monaten kündigen.

11.6 Kündigung wegen Umstrukturierung des Vertriebsnetzes

Falls sich die Notwendigkeit ergibt, das X. Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren, ist X. berechtigt, den Vertrag mit einer Frist von 12 Monaten zu kündigen.

Dies gilt auch für den Fall, dass sich die in diesem Vertrag zugrundeliegenden rechtlichen Rahmenbedingungen in wesentlichen Bereichen ändern.

13.2 Unwirksamkeitsklausel

Die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen dieses Vertrages oder seiner Bestandteile lässt die Wirksamkeit der übrigen Regelungen unberührt. Die Vertragspartner sind im Rahmen des Zumutbaren nach Treu und Glauben verpflichtet, eine unwirksame Bestimmung durch eine ihr im wirtschaftlichen Erfolg gleichkommende wirksame Regelung zu ersetzen, sofern dadurch keine wesentliche Änderung des Vertragsinhaltes herbeigeführt wird; das gleiche gilt, falls ein regelungsbedürftiger Sachverhalt nicht ausdrücklich geregelt ist.

Mit Schreiben vom 9.9.2002 (Anlage K 2) kündigte die Beklagte ggü. der Klägerin den genannten Händlervertrag gem. Nr. 11.6 mit Wirkung zum 30.9.2003. In diesem Schreiben heißt es u.a.:

„wie Sie wissen, läuft die Gruppenfreistellungsverordnung für den Automobilsektor (GVO 1475/95), die bislang Basis unseres derzeit bestehenden Händlervertrages war, am 30.9. dieses Jahres aus. Die EU-Kommission hat am 17.7.2002 eine neue GVO für den Kraftfahrzeugsektor beschlossen, die zum 1.10.2002 in Kraft treten wird. Die neue GVO sieht eine Übergangsfrist für die bestehenden Händlerverträge bis zum 30.9.2003 vor und bringt gravierende rechtliche und strukturelle Veränderungen für den Automobilvertrieb mit sich; dies erfordert auch eine wesentliche Umstrukturierung unseres Vertriebsnetzes.

Vor diesem Hintergrund kündigen wir den mit Ihnen bestehenden X. Händlervertrag Hdl.-Nr. YZ gem. Ziff. 11.6 des Vertrages mit Wirkung zum 30.9.2003.”

Die Klägerin hat diese Kündigung als ordentliche Kündigung zum 30.9.2004 akzeptiert.

Das LG hat mit Urteil vom 4.12.2003 festgestellt, dass das Vertragshändlerverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten aufgrund des Händlervertrages vom 1.10.1996 über den 30.9.2003 hinaus – höchstens bis zum 30.9.2004 – Bestand hat. Auf dieses Urteil und die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Beklagte macht geltend, die vom LG ausgeurteilte Feststellung könne nur dann getroffen werden, wenn die von der Beklagten mit Wirkung zum 30.9.2003 ausgesprochene Kündigung unwirksam und der Händlervertrag mit Ablauf der Übergangsfrist des Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 der Kommission vom 31.7.2002 über die Anwendung von Artikel 81 Abs. 3 des Vertrags auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor (im Folgenden: Verordnung (EG) Nr. 1400/2002) nicht nichtig geworden wäre. Beides sei nicht der Fall. Das LG sei zutreffend der Auffassung, dass die Vereinbarung einer 12-monatigen Kündigungsfrist in Nr. 11.6 des Händlervertrags wirksam sei und insb. nicht gegen § 9 AGBG a.F./§ 307 BGB n.F. verstoße. Mithin komme es ausschließlich darauf an, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der Nr. 11.6 des Händlervertrags erfüllt seien. Das LG übersehe, dass für die Beklagte im Rahmen der Neugestaltung ihres Vertriebsnetzes auch ausschlaggebend gewesen sei, wo sie Vertriebsstandorte unterhalten und mit welchen Vertriebspartnern sie künftig zusammenarbeiten müsse, um die künftigen Herausforderungen in Angriff zu nehmen. Es sei jedoch nich...

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