Leitsatz (amtlich)

1. Ein Steuerberater, der mit der ertragsteuerlichen Beratung beauftragt ist, muss einen Mandanten, der italienischer Staatsangehöriger und nicht in Deutschland aufgewachsen ist, und der sich erstmals in Deutschland niederlässt, um hier eine Arbeitstätigkeit aufzunehmen, grundsätzlich darüber belehren, dass Kirchenmitglieder eine Kirchensteuer zu entrichten haben (Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 18.05.2006 - IX ZR 53/05, DStR 2006, 2278). Dagegen schuldet der Steuerberater auch dem ausländischen Mandanten keine Empfehlung, aus der Kirche auszutreten, um die Kirchensteuerpflicht zu beenden. (S. 22, 23)

2. Ein Steuerberater muss in den Grenzen des ihm erteilten Auftrags - hier: umfassendes Dauermandat zur Steuerberatung für die Deutschland betreffenden Steuern - zumindest anhand der Jahressteuerbescheinigung überprüfen, ob der Arbeitgeber seines Mandanten die Lohnsteuer und die Kirchenlohnsteuer ordnungsgemäß und in der richtigen Höhe abgeführt hat, die der Arbeitgeber auf Grund einer Nettolohnvereinbarung zu tragen hat. Ist dies nicht der Fall, muss der Steuerberater seinen Mandanten darauf hinweisen und ihn vor den damit verbundenen steuerrechtlichen Gefahren warnen, insbesondere einer eigenen Inanspruchnahme des Mandanten für die Kirchensteuer. (S. 28, 29)

3. Schließt ein Profifußballspieler zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses bei einem Profifußballverein mit diesem einen Beendigungs- oder Abfindungsvertrag, der eine Ausgleichsklausel enthält, nach der die im Beendigungsvertrag vereinbarten Zahlungen die einzigen verbleibenden Verpflichtungen darstellen, dann sind von der umfassenden Abgeltung in der Regel auch Ansprüche des Arbeitnehmers auf noch nicht geleistete Vergütung erfasst, einschließlich des Anspruchs auf Entrichtung der Kirchenlohnsteuer, der auf einer Nettolohnvereinbarung im Arbeitsvertrag beruht (im Anschluss an BAG, Urt. v. 22.10.2008 - 10 AZR 617/07, NJW 2009, 618). (S. 36) Gegen die Entscheidung ist Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt worden (Az. IX ZR 24/16).

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 02.05.2014; Aktenzeichen 4 O 7247/13)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des LG München I vom 02.05.2014, Az. 4 O 7247/13, abgeändert:

Die Beklagten werden wie Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.249.683,18 EUR zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weiter gehende Berufung und Anschlussberufung werden zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug haben der Kläger 27 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch 73 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 26 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch 74 % zu tragen. Die Beklagten haben gesamtschuldnerisch 73 % der Kosten der Nebenintervention im ersten Rechtszug und 74 % der Kosten der Nebenintervention im Berufungsverfahren zu tragen. Im Übrigen trägt die Nebenintervenientin ihre Kosten selbst.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Schuldner kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.679.801,98 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Steuerberaterhaftung.

Der in Italien geborene Kläger ist römisch-katholisch getauft, italienischer Staatsangehöriger und Profi-Fußballspieler. Im Jahr 2007 nahm er eine Tätigkeit bei der FC. AG, der auf seiner Seite beigetretenen Nebenintervenientin, auf. Mit dieser schloss er am 07.06.2007 einen Vertrag ab (Anl. K 1), der Nettovergütungen für den Kläger vorsah. Der Kläger begründete einen Wohnsitz in Bayern.

Die Beklagte zu 1 betreibt eine Steuerkanzlei, die für den Kläger beginnend im Jahr 2007 steuerberatend tätig wurde. Der Beklagte zu 2 ist Gesellschafter (Partner) der Beklagten zu 1 und betreute den Kläger als verantwortlicher Sachbearbeiter.

Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche geltend, wobei er ihnen vorwirft, es unterlassen zu haben, den Kläger rechtzeitig auf die deutsche Kirchensteuerproblematik hinzuweisen und die für seine Kirchensteuerverpflichtung maßgeblichen Fakten zu klären. Auch hätten die Beklagten darauf reagieren müssen, dass die Nebenintervenientin für den Kläger zwar Lohnsteuer, aber keine Kirchensteuer abführte.

Der Kläger behauptet, er wäre bei ordnungsgemäßer Beratung noch im Jahr 2007 aus der katholischen Kirche ausgetreten, sodass für seine Einkünfte keine Kirchensteuer angefallen wäre.

Er trägt zudem vor, bei zeitnaher Information hätte er die Nebenintervenientin zur Zahlung der Kirchensteuer auf Grund der Nettolohnvereinbarung veranlasst, anstatt im "termination agreement" (Beendigungs- oder Abfindungsvertrag) vom 16.06.2010 (Anl. K...

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