Entscheidungsstichwort (Thema)

„Kennenlernpaket” als Grundstock einer umfangreichen Sammlung

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn ein Verlag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln mit einem Kunden einen Vertrag über die Lieferung eines „Kennenlernpakets” als Grundstock einer umfangreichen Sammlung schließt, wobei der Kunde nach Erhalt der ersten Lieferung im Abstand von ca. 3 Wochen Ergänzungslieferungen erhält, die er jeweils bezahlen muss, wenn er sie nicht auf eigene Kosten zurückschickt, treffen den Verlag die Verpflichtungen sowohl aus § 7 VerbrKrG als auch aus § 3 FernAbsG.

 

Normenkette

UWG § 1; VerbrKrG § 7; FernAbsG § 3

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 1 HKO 17811/00)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 03.07.2003; Aktenzeichen I ZR 270/01)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG München I vom 29.12.2000 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verurteilung gem. Ziff. I jenes Tenors wegen übereinstimmender Erledigungserklärung entfällt und sich die Androhung von Ordnungsmitteln gem. Ziff. III nur auf die verbleibende Ziff. II des landgerichtlichen Urteils bezieht.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 70.000 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000 DM.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten, ob die Beklagte wettbewerbswidrig potentielle Kunden ohne deren Einverständnis anruft und ob die Beklagte nach dem FernAbsG und/oder VerbrKrG verpflichtet ist, Kunden über ein Widerrufsrecht zu belehren.

Der Kläger ist ein Verbraucherverband.

Die Beklagte vertreibt im Versandwege themenbezogene Bücherreihen zum Sammeln.

Der Vertrieb erfolgt in der Weise, dass der Interessent zunächst ein „Willkommenspaket” und in der Folgezeit im Abstand von 18 bis 21 Tagen weitere Ergänzungslieferungen zugesandt erhält. Dabei hat der Kunde jeweils die Möglichkeit, die Ergänzungslieferung binnen 10 oder 14 Tagen auf seine Kosten zurückzuschicken. Tut er dies nicht, hat er die Sendung zu bezahlen. Auch wenn ein Kunde ein Paket zurückschickt, bekommt er dennoch weitere Nachlieferungen zugesandt. Erst wenn ein Kunde zwei aufeinanderfolgende Lieferungen zurücksendet, wird er aus dem System der Beklagten entlassen und erhält keine Lieferungen mehr. Ansonsten hat der Kunde die Möglichkeit, für Folgelieferungen eine ausdrückliche Kündigung auszusprechen. Mit der ersten Sendung erhält der Kunde ferner zwei Zahlkarten, die mit verschieden hohen Beträgen ausgefüllt sind; bezahlt er die Sendung mit dem niedrigeren Betrag, so bestellt er damit künftig jeweils Dreifachlieferungen, d.h., es werden ihm mit einer Lieferung gleich drei Päckchen übersandt.

Der Zeuge P. erhielt im Frühjahr 1999 einen Anruf von der Beklagten, in dem ihm der Bezug der Sammlung „ABC der Naturheilkunde” nahe gelegt wurde. Die Befürchtungen des Zeugen, sich langfristig zu binden, wurden mit der Erklärung zerstreut, dass er die Lieferung ja nur wieder zurücksenden müsse; er müsse nur das bezahlen, was er behalte.

Auch die Zeugin W. erhielt im Mai 2000 einen Anruf der Beklagten, bei dem sie sich bereit erklärte, sich von der Sammlung „Mit Rezepten durch die Welt” ein „Willkommenspaket” zusenden zu lassen. Diesem lag bereits eine Rechnung bei. Als Frau W. sich beschwerte, erklärte man ihr, sie müsse das Paket nur zurückschicken, das nächste Paket sei allerdings schon unterwegs. Frau W. erklärte, dass sie dies nicht wolle und wies darauf hin, dass das Gewicht des ihr zugesandten Pakets 8 kg betrage, so dass das Zurückschicken so viel koste, wie nach der Rechnung zu begleichen sei. Daraufhin erklärte man ihr, dann müsse sie eben kündigen, was Frau W. auch sofort tat.

Der Kläger ist der Ansicht, das Verhalten der Beklagten sei gem. § 1 UWG wettbewerbswidrig, zum einen unter dem Gesichtspunkt der Belästigung durch unzulässige Telefonwerbung und zum anderen unter dem Gesichtspunkt der Täuschung durch unterlassene Belehrung über das Widerrufsrecht gem. § 7 VerbrKrG, da es sich um ein „gleichgestelltes Geschäft” i.S.v. § 2 VerbrKrG handele.

Der Kläger hat beantragt:

I. Der Beklagten wird untersagt, Verbraucher zu Zwecken des Wettbewerbs anzurufen, es sei denn, dass der Verbraucher diesen Anruf zuvor erbeten hatte, oder dass der Anruf innerhalb einer laufenden Geschäftsverbindung erfolgt.

II. Der Beklagten wird bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel untersagt, Bestellungen zum fortlaufenden Bezug einer Ware entgegenzunehmen, beispielsweise der Sammlung „ABC der Naturheilkunde”, ohne den Kunden in einer gesondert zu unterzeichnenden, drucktechnisch hervorgehobenen und ihm auszuhändigenden Belehrung auf das ihm nach dem VerbrKrG zustehende Widerrufsrecht hinzuweisen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die an die Kunden P. und W. gerichteten Telefon...

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