Verfahrensgang

LG München I (Entscheidung vom 16.06.1977; Aktenzeichen 20 O 4508/77)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 16. Juni 1977 aufgehoben.

  • II.

    Die Klage wird abgewiesen.

  • III.

    Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  • IV.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 1.800,- abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

  • V.

    Die Beschwer der Klägerin wird auf DM 5.627,89 festgesetzt.

  • VI.

    Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin fordert von dem Beklagten die Rückzahlung von DM 5.627,89, welche sie als Drittschuldnerin dem Beklagten auf Grund entsprechender Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse trotz einer vorrangigen Arrestpfändung eines anderen Vollstreckungsgläubigers bezahlt hat.

Der Beklagte hatte durch der Klägerin am 19.1.1976 und am 28.5.1976 zugestellte, über DM 3.859,80 und DM 589,75 (jeweils nebst Zinsen und Kosten) lautende Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse auf eine Darlehensforderung Zugriff genommen, die seinem Schuldner ... gegen die Klägerin zustand.

Die Klägerin meint, ihre daraufhin in Höhe von insgesamt DM 5.627,89 an den Beklagten geleisteten Zahlungen zurückfordern zu können, weil diese Darlehensforderung bereits vorher durch einen anderen Gläubiger ... auf Grund eines Arrestbefehls gepfändet gewesen sei.

Der Beklagte bestritt die Arrestpfändung mit Nichtwissen und berief sich auf den Wegfall der Bereicherung.

Das Landgericht hat festgestellt, dass die Arrestpfändung zeitlich vor der Pfändung durch den Beklagten erfolgte, und hat der Klage aus § 812 BGB stattgegeben.

Auf das im Parteibetrieb am 22.6.1977 zugestellte Urteil des Landgerichts München I (Bl. 45/54 d.A.) wird Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Er beruft sich erneut auf den Wegfall der Bereicherung, meint im übrigen, die Klage sei trotz vorrangiger Arrestpfändung schon aus Rechtsgründen abzuweisen und beantragt:

  • 1.

    Das Urteil des Landgerichts München vom 16.6.1977 wird aufgehoben.

  • 2.

    Die Klage wird abgewiesen.

Hilfsweise:

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Klägerin beantragt unter Wiederholung ihres Sachvortrags aus dem ersten Rechtszug,

die Berufung zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die Berufungsbegründung vom 10.8.1977 (Bl. 65/75 d.A.) und ihre Erwiderung vom 24.8.1977 (Bl. 79/86 d.A.) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat Erfolg.

Das Landgericht hat den Beklagten zu Unrecht zur Rückzahlung des von der Klägerin erlangten Betrages verurteilt.

Der Klägerin steht der geltendgemachte Rückzahlungsanspruch nicht zu. Ein entsprechender Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 ff BGB) ist nicht gegeben.

Die Klägerin hat den Betrag von DM 5.627,89 an den Beklagten nicht ohne Rechtsgrund geleistet.

Die Klägerin hat als Drittschuldnerin an den Beklagten als Pfändungspfand- und Überweisungsgläubiger bezahlt, also auf Grund ihrer dem Zwangsvollstreckungsschuldner ... gegenüber bestehenden Verbindlichkeit.

Diese den Rechtsgrund für die Leistung bildende Verbindlichkeit hat in der in Frage stehenden Höhe unstreitig bestanden.

Die Klägerin kann sich zur Begründung ihres Klageanspruchs nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der von dem Beklagten gepfändete und an ihn überwiesene Anspruch bereits vorher auf Grund eines Arrests eines weiteren Gläubigers gepfändet worden war.

Aus § 829 Abs. 1 ZPO kann die Klägerin nichts für sich herleiten. Auf Grund der Arrestpfändung war dem Gläubiger ... zwar geboten worden, sich jeglicher Verfügung über die Forderung zu enthalten. Eine gegen dieses Verbot erfolgte Verfügung ist jedoch nicht absolut unwirksam, sondern nach §§ 136, 135 BGB nur relativ dem (hier bevorrechtigten) Pfändungspfandgläubiger gegenüber (Thomas-Putzo, 9, Aufl., § 829 ZPO Anm. 6 b; Stein-Jonas, 19. Aufl., § 829 ZPO Anm. VI). Hieraus folgt, dass eine Verfügung des Schuldners trotz eines nach § 829 Abs. 1 ZPO erfolgten Verbots dem Drittschuldner gegenüber wirksam bleibt (Stein-Jonas a.a.O.). Eine Verfügung durch Einziehung der Forderung bleibt also wirksam, die entsprechende Leistung erfolgt mit Rechtsgrund, auch wenn die eingezogene Forderung zuvor gepfändet war.

Was für den Schuldner gilt, gilt auch für den Pfändungspfandgläubiger, dem die Forderung gemäss § 835 ZPO zur Einziehung überwiesen wurde. Auf Grund der Überweisung stehen ihm die gleichen Rechte zu, wie dem Schuldner.

Da sonach der Beklagte die Leistung der Klägerin nicht ohne, sondern mit Rechtsgrund erhalten hat, scheitert ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung.

Die Tatsache, dass durch die zeitlich vorgehende Arrestpfändung ein nach § 804 Abs. 3 ZPO dem Pfändungspfandrecht des Beklagten vorrangiges Pfandrecht begründet worden ist, berechtigt jedenfalls die Klägerin nicht, die an den Beklagten geleisteten Zahlun...

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