Verfahrensgang

LG München I (Entscheidung vom 23.01.2012; Aktenzeichen 27 O 7915/10)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I, 27. Zivilkammer, vom 23.01.2012 abgeändert und wie folgt neu gefasst.

    Es wird festgestellt, dass der Beklagten gegen den Kläger aus dem Sollsaldo des Girokontos Nr. ...875 nur ein Anspruch von 219.259,62 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus p.a. seit 20.08.2012 zusteht.

    Im Übrigen werden die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen.

  • II.

    Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 62% und die Beklagte 38%.

  • III.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

  • IV.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

  • V.

    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird ab 31.08.2012 auf 753.678.- EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger, seinerzeit von Beruf Chefarzt einer Klinik, verlangt von der beklagten Bank Schadensersatz wegen verlustbringender Geschäfte mit Zertifikaten ("Komplex I") und mit Währungs-Swaps ("Komplex II").

("Komplex I" Zertifikate):

Mit Selbsteinschätzungsbogen vom 07.04.1999 (Anlage B 1) gab der Kläger seine Anlageziele zu je ca. 50% mit "angemessenen Risiken" und "hohen Risiken" an. Im persönlichen Analysebögen vom 07.11.2000 (Anlage B 2) definierte er sein Anlageverständnis als "begrenzt risikobereit"; zur Liquiditätsplanung gab er dort an, frühestens in 5 bis 10 Jahren über einen Teilbetrag verfügen zu wollen. Im Analysebogen vom 19.05.2004 (Anlage B 3) bezeichnete er sein Anlageverhalten sodann in der höchsten vorgegebenen Risikoklasse als "spekulativ"; Angaben zur Liquiditätsplanung machte er dort nicht. Im Analysebogen vom 19.02.2008 (Anlage B 4) bezeichnete der Kläger sein Anlageverhalten erneut in der höchsten vorgegebenen Risikoklasse als "chancenorientiert" bei "mittelfristigem Kapitalbedarf".

Am 30.10.2006 fand ein inhaltlich umstrittenes Gespräch des Klägers mit Mitarbeitern der Beklagten statt. Hinsichtlich dieses Gesprächs hat der Mitarbeiter der Beklagten, der Zeuge F., ein Gesprächsprotokoll gefertigt, das die Beklagte trotz entsprechender Anträge des Klägers nicht vorgelegt hat und dessen Vorlage auch das Landgericht nicht förmlich gem. § 142 ZPO angeordnet hat. In der Zeit von 28.11.2006 bis 05.09.2008 tätigte der Mitarbeiter der Beklagten R. die streitgegenständlichen Wertpapiergeschäfte für das Depot des Klägers (vgl. Bl. 38 ff. d.A.), bei denen es sich durchgehend um Zertifikate handelte, und für die der Kläger jeweils Wertpapierabrechnungen erhielt (Anlagenkonvolute K 1 und K1a). Hieraus macht der Kläger - unter Verrechnung von Gewinnen einzelner Geschäfte im fraglichen Zeitraum - einschließlich entgangenem Gewinn und Kosten einer Anschlussfinanzierung Ansprüche von insgesamt 194.656,22 EUR geltend (vgl. Bl. 38 ff. d.A.), die ihm das Landgericht ohne nähere Begründung im Tenor zu IV. pauschal nebst Zins und Zinseszins zuerkannt hat.

Der Kläger behauptet zum Komplex Depot, bei dem Gespräch am 30.10.2006 sei vereinbart worden, dass zu erwartende Mittelzuflüsse aus dem Verkauf seines Privathauses von 400.000.- EUR und aus der Auflösung einer Lebensversicherung von 216.000.- EUR so angelegt werden sollten, dass davon unter Einsatz des bisherigen Depotbestandes von ca. 134.000.- EUR die Restschulden aus Darlehensverträgen mit Auslaufen der jeweiligen Zinsbindungsfristen zum 31.03.2008 über 270.000.- EUR und Juli 2009 über 417.000.- EUR hätten getilgt werden können. Für den Kläger habe daher nunmehr der Kapitalerhalt und die Investition in wertbeständige Anlagen oberste Priorität gehabt, damit die neudefinierten Anlageziele, insbesondere der Darlehenstilgung, auch erreichbar seien. Diese Anlagenziele seien mit den Bankberatern am 30.10.2006 explizit besprochen worden.

Der Zeuge R. habe sodann "ohne vorherige Rücksprache (nicht ohne Auftrag) mit dem Kläger" begonnen, Zertifikate zu erwerben (Schriftsatz vom 25.10.2010, S. 4; Bl. 146 d.A.). Auf Nachfrage bei dem Zeugen R. zu den erworbenen Papieren habe er später die Auskunft erhalten, dass diese Papiere sicher seien und am Ende der Laufzeit mit Zinsen zurück bezahlt würden. Der Kläger sei davon ausgegangen, dass der Zeuge R. sich an die in den Gesprächen vom 30.06.2006 vereinbarten Anlageziele halte. Er habe den Zeugen R. in der Folgezeit wiederholt wegen der aus den Depotauszügen erkennbaren Wertschwankungen angesprochen; dieser habe jedoch jeweils die Auskunft erteilt, die Zertifikate seien sicher und würden jedenfalls am Ende der Laufzeit mit Zinsen ausgezahlt. Als das Depot zum 15.06.2007 einen Stand von über 500.000.- EUR auswies, habe er entsprechend einer Empfehlung des Vertreters des Zeugen R. eine Absicherung des Depots durch Put-Optionsscheine vorgenommen; diese Absicherung habe der Zeuge R. bereits...

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