Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein von der Emissionsgesellschaft Lehmann Brothers Treasury Co. B.V. emittiertes und von der Konzernobergesellschaft Lehman Brothers Holdings Inc. garantiertes Finanzprodukt dem potentiellen Anleger im Beratungs- oder Vermittlungsgespräch und in der schriftlichen Produktbeschreibung als eine Anlage dargestellt, hinter der die US-amerikanische Investmentbank stehe, so handelt es sich um eine objektiv bedeutsame Fehlinformation über eine wesentliche Produkteigenschaft, weil - entgegen den den Entscheidungen des BGH vom 27.9.2011 (XI ZR 187/10 und XI ZR 182/10) zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen - die Garantin Lehman Brothers Holdings Inc. personenverschieden ist von der unter Lehman Brothers Inc. firmierenden US-amerikanischen Investmentbank, letztere (nur) eine Tochtergesellschaft der Investmentbank ist und dem Bankenstatus des Vertragspartners - hier dem Status einer US-amerikanischen Investmentbank - unter dem Gesichtspunkt der Risikoträchtigkeit des Anlageproduktes in der Regel ein für den Anlageentschluss bedeutsames Gewicht zukommt.

2. Als Zeitpunkt der Anspruchsentstehung, mit dem die Verjährungsfrist des § 37a WpHG a.F. in Lauf gesetzt wird, ist der Zeitpunkt des unwiderruflichen und vollzogenen Erwerbs der Anlage anzusehen (BGH, Urt. v. 24.3.2011 - III ZR 81/10).

3. Eine mehrseitige, an potentielle Anlageinteressenten gerichtete Produktbeschreibung, die über die Funktionsweise des Zertifikats, die der Renditeberechnung zugrunde liegenden Bezugsfaktoren, die der Anleihe zugrunde liegende Investitionsstrategie, die Chancen und Risiken, die Partner und die steuerliche Behandlung informiert und schließlich eine 1-seitige Zusammenstellung der Eckdaten des Anlageproduktes enthält, ist als Prospekt im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Prospekthaftung im engeren Sinne (etwa BGH, Urt. v. 17.11.2011 - III ZR 103/10) zu qualifizieren.

 

Normenkette

WpHG § 37a

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 03.03.2011; Aktenzeichen 22 O 1310/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.03.2013; Aktenzeichen III ZR 182/12)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG München I vom 3.3.2011 - 22 O 1310/10, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 10.5.2011, in Ziff. 1. und 2. abgeändert und erhält dadurch folgende Fassung:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 34.421,37 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 31.598,30 EUR seit 16.1.2010 zu zahlen

Zug um Zug gegen Übereignung der CPPI Capital Protected Fund of Hedge Funds Note - F ... 5 Anleihe - (WKN.) im Nominalwert von EUR 31.000 an die Beklagten zu 1) und 2).

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten zu 1) und 2) mit der Annahme der in Ziff. 1. bezeichneten Anleihe in Annahmeverzug befinden.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 1.307,81 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 29.3.2010 zu zahlen. Die Beklagte zu 2) wird weiters verurteilt, an die Klägerin Zinsen aus 1.307,81 EUR i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz von 4.3.2010 bis 29.3.2010 zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

VI. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 31.598,30 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1) wegen fehlerhafter Anlageberatung und die Beklagte zu 2) aus Prospekthaftung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten der (inzwischen insolventen) Lehmann Brothers Treasury Co. B.V. in Anspruch.

Die Klägerin, eine Hausfrau, zeichnete am 15.11.2006 nach einem Gespräch mit dem für die Beklagte zu 1) in Deutschland tätigen B. W. eine "F. 5"-Anleihe der Lehmann Brothers Treasury Co. B.V. (nachfolgend: Emittentin) zum Nominalwert von 31.000 EUR zzgl. eines Ausgabeaufschlages von 5 % (1.550 EUR). Nach den Anleihebedingungen hängen Verzinsung und Rückzahlungsbetrag von der Performance eines Index, der die Wertentwicklung dreier von der Emittentin ausgewählter Dachhedge-Fonds wiedergibt, des sog. "F. V Hedge Fund Index", ab. Bei einer jährlichen Verzinsung von 2 %, deren Zahlung von hier nicht interessierenden Voraussetzungen abhängig war, bestand eine Chance auf eine Verzinsung von bis zu 8 % p.a. Die Anleihe bot einen Kapitalschutz zu 100 % bei Fälligkeit am Ende der zehnjährigen Laufzeit.

Gestützt auf die Behauptung, zwischen ihr, der Klägerin, und der Beklagten zu 1) sei ein Beratungsvertrag zustande gekommen, behauptet die Klägerin diverse Beratungsmängel. Ihr Anlegerprofil (Anlage K...

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