Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame Gewährleistungsbürgschaft unter Verzicht auf Einreden

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 25.07.2006; Aktenzeichen 11 O 22609/05)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG München I vom 25.7.2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die von der Beklagten ggü. der Klägerin übernommenen Bürgschaften für Gewährleistungsansprüche der Klägerin gegen die ... AG vom 2.5.2002 über 1.124.842,14 EUR und 1.183.640,70 EUR wirksam sind.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, das die Klage abgewiesen hat, wird. Bezug genommen.

Die Klägerin erstrebt mit ihrer Berufung die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und Feststellung entsprechend dem bereits in erster Instanz gestellten Antrag. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung.

Die Klägerin macht geltend, das Ersturteil sei zu Unrecht von Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen ausgegangen. Tatsächlich sei die Regelung in Ziff. 16.2 des Generalunternehmervertrags ausführlich mit der Vertragspartnerin der Klägerin erörtert worden und i.S.d. § 1 Abs. 2 AGBG individuell ausgehandelt worden. Die Regelung sei auch auf das konkrete Objekt zugeschnitten gewesen, eine Absicht der Mehrfachverwendung habe nicht bestanden. Das Erstgericht habe den Kerngehalt der Regelungen missverstanden. Nachdem zunächst die Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern individuell ausgehandelt gewesen sei, sei der Verzicht des Bürgen auf die Einreden aus §§ 768, 770, 771, 776 BGB obsolet gewesen. Soweit der Ausschluss von Einreden nach § 768 BGB unwirksam sei, sei allenfalls Teilnichtigkeit, nicht Nichtigkeit der Sicherungsabrede. insgesamt anzunehmen. Jedenfalls sei eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen, dass der Sicherungseinbehalt durch eine einfache (unbefristete und selbstschuldnerische) Bürgschaft abgelöst werden könne.

Ergänzend wird wegen der Einzelheiten auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze und das Protokoll vom 15.5.2007 Bezug genommen.

II. Für das vorliegende Schuldverhältnis sind die vor dem 11.2002 geltenden Gesetze anzuwenden (Art. 229 § 5 EGBGB). Der Generalunternehmervertrag (im Folgenden: GU-Vertrag), in dem sich die Sicherungsabrede findet, stammt aus dem Jahr 2000.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

1. Die Regelung des Sicherungseinbehalts und des Rechts auf dessen Ablösung durch eine Bürgschaft in Nr. 16.1 und 16.2 des GU-Vertrags hat den Charakter von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).

Die Beklagte beruft sich darauf, nach neueren Meinungen in der Literatur sei zu unterscheiden zwischen Massengeschäften mit routinemäßiger Verwendung von AGB und Verträgen mit komplexen Verhandlungen, bei denen einem Vertragspartner typischerweise die erste Ausarbeitung eines Vertragstextes überlassen wird, woraufhin sodann der andere Teil nach Prüfung, regelmäßig durch eine Rechtsabteilung oder externe Rechtsberater seine eigenen Vorstellungen formuliert. Im letztgenannten Fall sei schon nicht vom "Stellen" von AGB durch die erstgenannte Partei auszugehen, jedenfalls liege ein individuelles Aushandeln vor, wobei die Beklagte noch darauf hinweist, beim Vertragspartner der Klägerin habe es sich um eine der größten deutschen Baufirmen gehandelt. Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass AGB nicht anzunehmen sind. Gegenüber einem Unternehmer gilt § 1 AGBG ebenso, lediglich §§ 2, 10, 11 AGBG sind nach § 24 AGBG insoweit nicht anzuwenden. Entscheidende Gesichtspunkte sind daher, ob die Klägerin die AGB gestellt hat oder ob die maßgebenden Regelungen im Einzelnen ausgehandelt wurden. Darauf, ob der die AGB stellende Partner als der Stärkere eine einseitige Gestaltungsmacht ausübt, kommt es nach dem Gesetz nicht an.

Die Annahme von AGB scheitert nicht daran, dass nach dem Vortrag der Klägerin die vertragliche Regelung auf Grund der besonderen Konstellation, dass zwei Gebäude speziell für zwei Investoren errichtet wurde, speziell auf deren Wünsche abgestellt worden sei und daher eine Mehrfachverwendungsabsicht des Vertragswerks nicht bestanden hatte. Für die AGB-Qualität kömmt es nicht auf die Gesamtheit des Vertrags an. AGB können auch einzelne Klauseln sein. Nach Vortrag der Klägerin wurde der GU-Vertrag für die Klägerin von einem Rechtsanwalt aus der Kanzlei der Klägervertreter bearbeitet. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen auch dann vor, wenn sie von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind, selbst wenn die Vertragspartei, die die Klauseln stellt, sie nur in einem einzelnen Vertrag verwenden will (BGH BauR 2006, 106). Aus ...

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