Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltswerbung über Homepage

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Information auf einer Homepage einer Anwaltskanzlei (Interessentenschreiben), die sich an eine Vielzahl potenzieller Mandanten (Aktionäre) wendet, stellt sich nicht als eine unzulässige Werbung um die Erteilung eines Mandats im Einzelfall im Sinne von § 43b BRAO dar, auch wenn der Gegenstand der beworbenen anwaltlichen Tätigkeit (Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen eine Aktiengesellschaft wegen angeblich falscher Unternehmensmeldungen) in Gestalt des in Anspruch zu nehmenden Gegners feststeht.

 

Normenkette

BRAO § 43b; UWG § 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 4 HKO 8522/01)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG München I v. 19.7.2001 – 4 HKO 8522/01 – aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 15.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Der Wert der Beschwer der Kläger übersteigt 60.000 DM.

 

Tatbestand

Die Kläger, Rechtsanwälte mit Kanzleisitz in München, beanstanden eine Internet-Darstellung der Beklagten, als berufswidrige Werbung.

Die Beklagten – die Beklagten zu 2) bis 4) als Angestellte des Beklagten zu 1) – betreiben unter der Bezeichnung „XXX Rechtsanwälte” in Grünwald eine Kanzlei, die vorwiegend im Bereich des Kapitalanlagerechts tätig ist und ausschließlich Anleger vertritt. Hierüber informieren die Beklagten auch unter der Domain „www.xxx-rechtsanwaelte.de” (siehe die vorgelegten Ausdrucke gemäß den Anlagen A 1–A 4). Über eine Menü-Führung auf der Startseite der Homepage gelangte man über die Schaltfläche „Ihr Fall” zu der Aufstellung „Alle Fälle in alphabetischer Reihenfolge” und über eine weitere Schaltfläche bei „Deutsche Telekom Neu!!” zu dem nachfolgend wiedergegebenen „Interessentenschreiben” sowie zu dazugehörigen „Anlagen” (Vollmacht, Honorvereinbarung, Newsletter).

Deutsche Telekom – Interessentenschreiben

Schadenersatzansprüche gegen die Deutsche Telekom AG und deren Vorstände und Aufsichtsräte im Zusammenhang mit falschen Unternehmensmeldungen

Sehr geehrte Telekom Aktionärin,

sehr geehrter Telekom Aktionär,

für Ihr Interesse an dem gemeinsamen Vorgehen geschädigter Telekom-Aktionäre gegen die Gesellschaft und deren Organe möchten wir uns bei Ihnen herzlich bedanken.

Sollten Sie bei uns noch nicht Mandant gewesen sein, so möchten wir die Gelegenheit ergreifen, unsere Kanzlei kurz vorzustellen. Unsere Kanzlei ist mit derzeit sechs Juristen (vier Rechtsanwälte und zwei Referendare) auf das Kapitalanlagerecht spezialisiert und setzt sich ausschließlich für die Rechte von Anlegern und Investoren ein. Bekannt wurde unsere Kanzlei vor allem durch den Fall Fokker, dem größten Ausfall einer Industrieanleihe nach dem zweiten Weltkrieg. Hier konnten wir für eine Vielzahl unserer Mandanten Entschädigungen durchsetzen.

Unsere Kanzlei prüft derzeit, ob Ihnen Schadenersatzansprüche gegen die Telekom AG einerseits und die Vorstände und Aufsichtsräte andererseits zustehen.

Kern dieser Prüfung ist die flächendeckende Falschbewertung des Grundbesitzes der Deutschen Telekom AG. Denn bereits seit dem 8.9.1998 war dem Vorstand und dem Aufsichtsrat bekannt, dass das Immobilienvermögen der Gesellschaft erheblich überbewertet worden war. Die Fehlberechnung beläuft sich auf mehrere Milliarden DM und fand Eingang in sämtliche Bilanzen der Gesellschaft. Erst am 21.2.2001 wurde offiziell eine Neubewertung des Immobilienvermögens angekündigt.

Jedes Bilanzergebnis seit dem 8.9.1998 basierte damit auf unzutreffenden Grundlagen. Und die Vorstände und Aufsichtsräte wussten, dass die jeweils veröffentlichten Zahlen nicht die tatsächlichen Vermögensverhältnisse der Gesellschaft widerspiegelten.

Als Haftungsnormen kommen daher insbesondere Prospekthaftung, vorsätzliche Kursmanipulation, Verstöße gegen das Aktiengesetz, Börsengesetz und das Wertpapierhandelsgesetz in Betracht.

Eine persönliche Haftung der Vorstände und Aufsichtsräte ist bei den genannten Tatbeständen zwar nur möglich, wenn nachgewiesen werden kann, dass diese Personen die Anleger vorsätzlich getäuscht haben. Insoweit sind wir derzeit jedoch zuversichtlich.

Denn vorliegend spricht einiges für eine vorsätzliche Täuschung der Anleger. Erst als eine Erholung des Kurses ohnehin nicht mehr erwartet wurde, wurde die Berichtigung angekündigt, damit die Auswirkungen möglichst gering blieben.

Allerdings haben wir eine abschließende Prüfung noch nicht vorgenommen. Durch unser weitverzweigtes Netzwerk an Kontakten sind wir aber zuversichtlich, dass wir gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Experten die zum Beweis erforderlichen Unterlagen beschaffen können.

Sofern Sie uns mit der Geltendmachung Ihrer Schadenersatzansprüche beauftragen, werden wir auch für Sie zunächst außergerichtlich die Dt. Telekom AG sowie die Vorstände und...

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