Entscheidungsstichwort (Thema)

Paketbeförderungsdienst; keinerlei Kontrolle des Transportwegs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Paketbeförderungsdienstes, nach der sich der Versender damit einverstanden erklärt, dass der Transportweg gänzlich unkontrolliert bleibt, scheitert als Versuch, sich grob fahrlässiges, leichtfertiges Verhalten auszubedingen, § 11 Nr. 7 AGBG a.F. (jetzt: § 309 Nr. 7b BGB n.F.).

2. Die unterbliebene Wertdeklaration durch den Versender wirkt sich als Mitverschulden anspruchsmindernd nur aus, wenn der Paketbeförderungsdienst konkret darlegt, dass und in welcher Beziehung er das Transportgut im Falle einer Versendung als Wertpaket anders - und damit sicherer - behandelt hätte.

 

Tatbestand

Die Fa. G. GmbH in G. beauftragte die Beklagte, einen Paketbeförderungsdienst, am 19.6.2001 mit dem Transport eines Pakets zur Fa. H. in München. Nach dem Vortrag der Klägerin war Gegenstand der Sendung eine Herrenarmbanduhr im Wert von 6.514 Euro, die nach einer Reparatur an die Fa. H. zurückgesandt werden sollte. Die Sendung war von der Fa. G. nicht als Wertpaket deklariert worden. Die Sendung geriet in Verlust.

In Nr. 2 der "Beförderungsbedingungen" der Beklagten heißt es:

"Um die vom Versender gewünschte kurze Beförderungsdauer und das niedrige Beförderungsentgelt zu ermöglichen, werden die Sendungen im Rahmen einer Sammelbeförderung transportiert. Der Versender nimmt mit der Wahl der Beförderungsart in Kauf, dass aufgrund der Massenbeförderung nicht die gleiche Obhut wie bei einer Einzelbeförderung gewährleistet werden kann. Der Versender ist damit einverstanden, wenn eine Kontrolle des Transportweges, insb. durch Ein- und Ausgangsdokumentation, an den einzelnen Umschlagstellen innerhalb des U.-Systems nicht durchgeführt wird. Soweit der Versender eine weiter gehende Kontrolle der Beförderung wünscht, wählt er die Beförderung als Wertpaket."

Auf die Schadensrechnung vom 28.8.2001 über insgesamt 6.517,02 Euro bezahlte die Beklagte 511,29 Euro und lehnte eine weiter gehende Entschädigung ab. Den Restschaden verlangt die Klägerin als Transportversicherer von der Beklagten.

Das LG hat die Klageforderung zur Hälfte zugesprochen. Zwar sei die Beklagte wegen qualifizierten Verschuldens i.S.d. § 435 HGB unbeschränkt ersatzpflichtig, jedoch falle der Versicherungsnehmerin der Klägerin ein hälftiges Mitverschulden zur Last, da die Fa. G. GmbH nicht die Versendung als Wertpaket gewählt habe.

Mit ihrer Berufung erstrebt die Klägerin restlichen Schadensersatz, die Berufung der Beklagten hat die Abweisung der Klage zum Ziel.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten erweist sich als unbegründet, diejenige der Klägerin als begründet.

1. Die Rechtsgrundsätze des BGH zum grob fahrlässigen Organisationsverschulden des Spediteurs (vgl. BGH v. 4.5.1995 - I ZR 70/93, BGHZ 129, 345 ff. = MDR 1996, 269) finden grundsätzlich auch auf Paketdienstunternehmer, wie die Beklagte, Anwendung (BGH v. 15.11.2001 - I ZR 158/99, BGHZ 149, 337 ff. = BGHReport 2002, 633 = MDR 2002, 956). Ein Absenken der Sorgfaltsanforderung lässt sich auch bei Massenumschlag und Massenbeförderung nicht aus der Haftungsbeschränkung bei postalischer Briefbeförderung rechtfertigen: Der Absender eines Briefes erleidet in der Regel bei Verlust keinen materiellen Schaden, er tritt mit dem Beförderer in der Regel auch nur anonym in Beziehung.

2. Die Anforderungen an die gebotene sorgfältige Behandlung des ihm anvertrauten Gutes hat die Beklagte nicht beachtet. Nach eigenem Vortrag führt sie weder bei der Übergabe der Sendung, noch bei der Übernahme in ihr Auslieferungslager eine Ein- und Ausgangskontrolle durch. Sie hat das Gut nicht derart unter Kontrolle, dass sie dessen Verlust zeitlich und örtlich eingrenzen kann. Dies rechtfertigt den Vorwurf grob fahrlässigen, leichtfertigen Verhaltens und den Schluss auf das Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten wird (§ 435 HGB). Auf die zutreffenden Ausführungen des LG wird insoweit verwiesen.

3. Dass sich die Beklagte in ihren Geschäftsbedingungen ausbedungen hat, den Transportweg unkontrolliert zu lassen, entlastet sie nicht. Aus der entsprechenden Klausel ergibt sich nur, dass Sammeltransporte durchgeführt werden, nicht aber, dass die Beklagte auch nahe liegende Vorsorgemaßnahmen gegen den Verlust der Sendung unterlassen möchte. Auch der Hinweis auf die Möglichkeit einer Wertdeklaration führt zu keiner anderen Beurteilung, weil nicht angegeben wird, dass die Sendung dann in besonderer Weise, nämlich sorgfältiger behandelt wird. In der Bedeutung, der die Beklagte ihrer Klausel beimessen möchte, ist sie für den Empfänger unklar und überraschend. Sie benachteiligt den Absender auch unangemessen, weil sie ihm aufgibt, seine Sendung bei nur geringfügiger Haftung gleichsam auf eigenes Risiko zu versenden. § 449 HBG ist nicht einschlägig, weil weder briefähnliche Sendungen aufgegeben wurden noch eine im Einzelnen ausgehandelte Regelung vorliegt. Der Versuc...

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