Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit zweier Beschlüsse einer Hauptversammlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen einer Klage nach § 246 AktG sind Anfechtungsgründe, die nicht wenigstens im Kern innerhalb der Monatsfrist angesprochen werden, als nachgeschobene Anfechtungsgründe präkludiert.

2. Da die Regelung des § 142 Abs. 1 AktG neben dem Schutz der antragstellenden Minderheit auch dem Interesse aller anderen Minderheitsaktionäre, die bei der Hauptversammlung nicht anwesend waren, dient, kann eine Information nur der auf der Hauptversammlung anwesenden Aktionäre nicht genügen, um ein Aufklärungsinteresse zu verneinen und einen Rechtsmissbrauch zu bejahen.

3. Im Falle der Ermächtigung zu Bekanntmachung von Beschlussgegenständen der Tagesordnung durch das Gericht muss bei börsennotierten Aktiengesellschaften die Bekanntmachung zeitlich vor dem record date des § 123 Abs. 4 AktG liegen (Anschluss an OLG Frankfurt BeckRS 2017, 122315), für andere Gesellschaften gilt diese zeitliche Grenze nicht.

 

Normenkette

AktG §§ 53a, 76 Abs. 3, § 122 Abs. 2-3, § 123 Abs. 4, § 124 Abs. 1 Sätze 1, 3, § 125 Abs. 1 S. 3, § 142 Abs. 1 Sätze 2-3, § 246; BayGO Art. 31 Abs. 1-2, Art. 38 Abs. 1 S. 1; BGB § 164 Abs. 1, § 185

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 14.07.2017; Aktenzeichen 5 HK O 14714/16)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerinnen gegen das Zwischen- und Schlussurteil des Landgerichts München I vom 14.07.2017, Az. 5 HK O 14714/16, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerinnen haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, einschließlich der Kosten der Nebenintervenienten.

3. Das Urteil und das in Ziffer 1. genannte Urteil des Landgerichts München I sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 29.07.2016.

Die Beklagte, die über ein in 36.815 Aktien eingeteiltes Grundkapital von 1.916.200,00 Euro verfügt, ist eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft. Sie betreibt als wesentlichen Unternehmensgegenstand die von M. auf die Westliche K.spitze führende K.bahn. Die Klägerin zu 1) hält 30 Aktien. Die Klägerin zu 2) ist die größte Aktionärin der Gesellschaft mit 16.999 Aktien, deren Vorstand, Herr Patrick K., mit Beschluss des Aufsichtsrates der Beklagten zu deren Vorstand bestellt wurde. Durch Urteil des Landgerichts München II vom 04.05.2017 wurde die Bestellung für nichtig erklärt. Die Klägerin zu 3) hält 75 Aktien an der Beklagten.

Der Nebenintervenient zu 1) ist ebenfalls Aktionär der Beklagten. Mit 11.946 Aktien ist der Nebenintervenient zu 2) der zweitgrößte Aktionär der Beklagten, sein zweiter Bürgermeister, der Nebenintervenient zu 3), wurde vom Nebenintervenienten zu 2) satzungsgemäß in den Aufsichtsrat der Beklagten entsandt.

Am 07.06.2016 ging der Beklagten ein Einberufungsverlangen der Klägerin zu 2) zu, wonach unter Tagesordnungspunkt 1 ein Beschluss der Hauptversammlung über die Neuwahl von Aufsichtsratsmitgliedern gefasst werden sollte. Der Vorstand der Beklagten lud die Aktionäre zu einer Hauptversammlung auf den 29.07.2016 ein; die Veröffentlichung dieser Einladung im Bundesanzeiger erfolgte am 23.06.2017. Mit Schreiben des Nebenintervenienten zu 3) vom 30.06.2016 an den Vorstand der Beklagten, Frau Aniko Kö., begehrte der Nebenintervenient zu 2) die Ergänzung der Tagesordnung um zwei Tagesordnungspunkte - eine Sonderprüfung in Bezug auf fünf Vorgänge in der Geschäftsführung (Installation einer Illuminationsanlage an der Bergstation der K.bahn; Erweiterung der Berg- und Ergänzung der Talstation der K.bahn; Ankauf von Gold oder anderen Edelmetallen seit dem 01.01.2012 sowie Investition der Geschäftsführung in Vermögensgegenstände wie Aktien, Anleihen oder sonstige Anlagen seit dem 01.01.2012; Vergütung von Herrn Wolfgang W. R. als Vorstand trotz Ausschlusstatbestandes nach § 76 Abs. 3 AktG) sowie zu den Verflechtungen der Klägerin zu 2) und der Beklagten. Der Nebenintervenient zu 2) ließ dieses Schreiben der Beklagten an ihrem Sitz in M. am 30.06.2016 und an der in der Einladung angegebenen Adresse in H. am 01.07.2016 zustellen. Die Beklagte veranlasste keine Veröffentlichung des Ergänzungsverlangens im Bundesanzeiger, weshalb der Nebenintervenient zu 2) beim Amtsgericht München die Ermächtigung zur Veröffentlichung der geänderten Tagesordnung und die Bestimmung eines unparteiischen Versammlungsleiters für die Hauptversammlung am 29.07.2016 beim Amtsgericht München beantragte. Mit Beschluss des Amtsgerichts München - Registergericht - vom 21.07.2016, HRB ...823 (Anlage N 7) wurde der Nebenintervenient zu 2) ermächtigt, die Tagesordnung der außerordentlichen Hauptversammlung am 29.07.2016 um die Tagesordnungspunkte 2 und 3 entsprechend dem E...

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