Leitsatz (amtlich)

In Filesharing-Fällen betrifft die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers die der Feststellung der Täterschaft vorgelagerte Frage, ob die Voraussetzungen für die tatsächliche Vermutung vorliegen, er sei der Täter. Erst wenn der Anschlussinhaber dieser sekundären Darlegungslast genügt, trifft den Anspruchsteller die Last der dann erforderlichen Beweise; genügt der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast dagegen nicht, so muss er zur Widerlegung der dann für den Anspruchsteller streitenden tatsächlichen Vermutung den Gegenbeweis erbringen.

 

Normenkette

UrhG § 97 Abs. 1-2; UrhG a.F. § 97a Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 01.07.2015; Aktenzeichen 37 O 5394/14)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG München I vom 1.7.2015 in seiner Ziffer III. dahin abgeändert, dass die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug gegeneinander aufgehoben werden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

III. Dieses Urteil und das Urteil des LG sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision wird im Umfang der Berufungszurückweisung zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit einer unberechtigten öffentlichen Zugänglichmachung des Musikalbums Loud der Künstlerin Rihanna über eine Internettauschbörse.

Die Klägerin ist Tonträgerherstellerin. Ihr stehen die ausschließlichen Verwertungsrechte an den auf dem Musikalbum Loud enthaltenen elf Musiktiteln der Künstlerin Rihanna zu. Dieses am 12.11.2010 veröffentlichte Album war acht Wochen lang unter den Top Ten der Charts - bis hin zu Rang zwei - gelistet. Der auf dem Album enthaltene und als Single-Auskopplung veröffentlichte Titel Only Girl (In The World) hielt sich zwölf Wochen unter den Top Ten der Single-Charts und war unter anderem für den GRAMMY-Award nominiert. In der ersten Kalenderwoche 2011 befand sich das Album auf Rang sechs der Longplay-Charts.

Am 2.1.2011 um 23:16 Uhr wurde das Album mit den elf Titeln über einen Internetanschluss, dessen Inhaber die beklagten Eheleute sind, mittels einer Filesharing-Software ohne Zustimmung der Klägerin zum Herunterladen angeboten.

Die Klägerin ließ die Beklagten deshalb mit Anwaltsschreiben abmahnen (vgl. Anl. K 3). Die Beklagten antworteten darauf mit einem per Telefax übermittelten Schreiben ihres anwaltliehen Vertreters, dem eine ebenfalls per Telefax übermittelte schriftliche Erklärung der Beklagten beigefügt war, mit der sie sich verpflichteten, es bei Meidung einer Vertragsstrafe zu unterlassen, geschütztes Musikrepertoire der Klägerin ohne Einwilligung im Internet Dritten verfügbar zu machen oder sonst wie auszuwerten (vgl. Anl. K 4). In der Folge forderte die Klägerin die Beklagten auf, ihr das Original der Unterlassungserklärung herauszugeben.

Die Klägerin trägt vor, die Beklagten hätten die Verletzungshandlung vorgenommen. Sie vertritt die Auffassung, sich insoweit auf eine tatsächliche Vermutung stützen zu können; das Vorbringen der Beklagten, sie hätten drei Kinder und diese hätten Zugang zu dem Internetanschluss gehabt, werde bestritten.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin anfangs neben Ansprüchen auf Schadensersatz nach der Lizenzanalogie und Ersatz ihrer Abmahnkosten einen Anspruch auf Herausgabe der als strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung überschriebenen Urkunde im Original an sie geltend gemacht. Nachdem die Beklagten das Original der Urkunde mit der Klageerwiderung über das Gericht der Klägerin zugeleitet hatten, haben die Parteien den Rechtstreit insoweit jeweils unter Verwahrung gegen die Kosten übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie

a) einen angemessenen Wertersatz in Höhe von mindestens 2.500,- EUR,

b) 1.379,80 EUR Kostenersatz

jeweils nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen, sie selbst hätten zur fraglichen Zeit einen gemeinsamen Rechner besessen, der normalerweise im Wohnzimmer gestanden habe. Sie hätten mit ihren drei damals bereits volljährigen Kindern zusammen gewohnt, die jeweils eigene Rechner gehabt hätten. Sie hätten mit einem Router der Telekom einen drahtlosen Internetzugang betrieben, der WP A2-gesichert und mit einem individuellen Passwort versehen gewesen sei, das auch den Kindern bekannt gewesen sei. Am Tattag hätten sie von 16:00 Uhr bis etwa Mitternacht Gäste gehabt; ihr eigener Rechner im Wohnzimmer sei ausgeschaltet gewesen. Die Verletzungshandlung sei von einem ihrer Kinder vorgenommen worden; sie wüssten zwar, welches Kind für die Rechtsverletzung verantwortlich sei, wollten dies jedoch nicht mitteilen (...

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