Leitsatz (amtlich)

Werden Daten aus Chart-Listen, in denen Musiktitel mit Begleitinformationen nach Positionen (Rangplätzen) aufgeführt sind, in der Weise neu zusammengestellt, dass sie nach anderen Kriterien sortiert und für einen längeren Zeitraum aufbereitet werden, so liegt in dieser Neuzusammenstellung weder ein unzulässiger Eingriff in das Recht des Datenbankherstellers noch eine unzulässige Übernahme fremder Leistung i.S.d. ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes.

 

Normenkette

UrhG § 87a ff.; UWG § 1

 

Verfahrensgang

LG München (Urteil vom 11.07.2002; Aktenzeichen 7 O 19450/01)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.07.2005; Aktenzeichen I ZR 290/02)

 

Tenor

I. Auf die Berufungen der Beklagten wird das Urteil des LG München I vom 11.7.2002 – 7 O 19450/01 – abgeändert.

Die Klagen werden insgesamt abgewiesen.

II. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 20.000 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

 

Gründe

(gem. § 540 Abs. 1 ZPO):

I. Die Klägerinnen, auf dem Gebiet der Markt- und Medienforschung tätige Unternehmen derselben Unternehmensgruppe, nehmen die Beklagten, eine GmbH und deren Geschäftsführer, gestützt auf § 97, § 4 Abs. 2, §§ 87a ff. UrhG sowie auf § 1 UWG, auf Unterlassung, Auskunft sowie Schadensersatzfeststellung im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von sog. H. BILANZEN in Anspruch, die in Buchform sowie in Form von CD-ROMs erscheinen. Die H. BILANZEN basieren auf Daten aus von den Klägerinnen wöchentlich erstellten Charts (Hitparaden), in denen Musiktitel unter Berücksichtigung von Verkaufszahlen bzw. Zahlen von Rundfunkauftritten aufgelistet werden.

Das LG hat den Klagen mit Urteil vom 11.7.2002 auf der Grundlage von § 1 UWG nach den Grundsätzen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes überwiegend stattgegeben; ob urheberrechtliche Rechtsgrundlagen gegeben sind, hat das LG offengelassen. Auf dieses Urteil, insb. auf den Tatbestand und die dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen, wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil in seinem stattgebenden Teil richten sich die Berufungen der Beklagten, mit denen diese ihre Klageabweisungsanträge weiterverfolgen. Sie machen geltend, die Beklagten hätten zu keinem Zeitpunkt die Charts der Klägerinnen – nicht einmal intern – vervielfältigt. Die Verurteilung zur Unterlassung der Vervielfältigung werde schon von den eigenen Feststellungen des LG nicht getragen. Für die Verurteilung, es zu unterlassen, die Chart-Listen der Klägerinnen zu bearbeiten oder umzugestalten, gebe es ebenfalls keine Rechtsgrundlage, und zwar weder nach dem Urheberrechtsgesetz noch aus § 1 UWG, auf den das LG seine Entscheidung gestützt habe. Die Beklagten gestünden den Chart-Listen der Klägerinnen zwar die erforderliche wettbewerbliche Eigenart zu; es fehle jedoch an der weiteren Voraussetzung für die Anwendung des § 1 UWG, der unmittelbaren Leistungsübernahme. Ein Vergleich der Chart-Listen der Klägerinnen und der H. BILANZEN zeige, dass die jeweils verarbeiteten Informationen sowohl im Aufbau als auch in der Aussage völlig unterschiedlich seien. Das Urteil könne auch nicht darauf gestützt werden, dass die Beklagten die von den Klägerinnen recherchierten Einzeldaten ausschließlich aus den Chart-Listen entnommen hätten. Im Übrigen erweise sich das Verhalten der Klägerinnen als eine unzulässige Rechtsausübung. Die Klägerinnen hätten nämlich seit ihrer Gründung im Jahr 1977 eine Übernahme der Einzeldaten durch die Beklagten nicht nur geduldet, sondern ausdrücklich gestattet.

Die Beklagten beantragen, in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klagen abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen, die Berufungen zurückzuweisen.

Die Klägerinnen verteidigen das angegriffene Urteil. Sie sind der Auffassung, die geltend gemachten Ansprüche seien sowohl nach § 97 Abs. 1, § 4 Abs. 2 UrhG als auch nach § 97 Abs. 1, §§ 87aff. UrhG gegeben. Das LG habe jedoch mit Recht festgestellt, dass diese Ansprüche nicht zwingend geprüft werden müssten, weil ein Wettbewerbsverstoß nach den Grundsätzen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes nach § 1 UWG vorliege. Die Beklagten übernähmen das von den Klägerinnen mit erheblichem Aufwand ermittelte Arbeitsergebnis, um es dann in bearbeiteter Form auf den Markt zu bringen. Das LG habe richtig festgestellt, dass die klägerischen Chart-Listen nicht „1:1” übernommen, sondern nach anderen Kriterien sortiert und für einen längeren Zeitraum aufbereitet würden. Diese Umsortierung einmal erfasster Daten erzeuge indes keinen nennenswerten Aufwand. Die Ausbeutung der klägerischen Leistung im Wege der Datenübernahme sei offenkundig. Die Beklagten lehnten sich bewusst an den Ruf der Klägerinnen an, um ihre eigenen H. BILANZEN zu legitimieren. In dieser wettbewerbsrechtlichen Rufausbeutung liege auch eine unlautere Behinderung der Klägerinne...

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