Entscheidungsstichwort (Thema)

"Kommissarischer" Geschäftsführer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wer zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt wird, haftet nach § 64 GmbHG auch dann, wenn er nach den Vorstellungen der Gesellschafter nur "kommissarischer" Geschäftsführer sein soll.

2. Bei der Beurteilung der Frage, ob für einen GmbH-Geschäftsführer der Insolvenzeintritt der GmbH erkennbar ist, sind auch dessen Kenntnisse über die Verhältnisse der GmbH von Bedeutung, die er anderweitig und nicht in seiner Eigenschaft als GmbH-Geschäftsführer erlangt hat (hier: als Geschäftsführer der Muttergesellschaft der GmbH).

 

Normenkette

GmbHG § 64

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 27.05.2016; Aktenzeichen 34 O 21646/14)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des LG München I vom 12.4.2016, im Tatbestand berichtigt durch Beschluss des LG München I vom 27.5.2016, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dessen Ziffer 1. wie folgt gefasst wird:

"1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 48.454,58 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1.11.2014 in die Insolvenzmasse zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung der Forderung gegen Herrn... wegen der Überweisung vom 3.3.2014 i.H.v. 45.000,00 EUR vom Konto der Insolvenzschuldnerin bei der Sparkasse... an die... sowie gegen Herrn... wegen der Barabhebung vom 3.3.2014 i.H.v. 2.000,00 EUR vom Konto der Insolvenzschuldnerin bei der Sparkasse... Im Übrigen wird die Klage abgewiesen."

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Dieses Urteil des Senats und das in Ziffer I. genannte Urteil des LG in der Fassung, die es durch dieses Urteil des Senats erhalten hat, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die... (künftig: Muttergesellschaft) war mit 37.500 EUR Geschäftsanteilen an der... (Stammkapital von 50.000 EUR, künftig: Schuldnerin) beteiligt. Der Beklagte war ab 15.5.2013 Geschäftsführer der Muttergesellschaft und ab 27.2.2014 Geschäftsführer der Schuldnerin. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin Ansprüche gegen den Beklagten als Geschäftsführer der Schuldnerin nach § 64 GmbHG geltend.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Ersturteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ergänzend ist festzustellen, dass folgende Zahlungen (Geldabflüsse) streitgegenständlich sind (vgl. Seite 7 der Klageschrift vom 10.11.2014, Bl. 7 d.A., sowie Anlage K 13):

Geldabflüsse aus dem Konto der Schuldnerin bei der Sparkasse...,

IBAN.:

Buchungstag:

Betrag:

Bemerkung:

28.2.2014

833 EUR

Einzug Zinsen Sparkasse...

3.3.2014

45.000 EUR

Überweisung an Muttergesellschaft, veranlasst durch Herrn...

3.3.2014

2.000 EUR

Barabhebung, vorgenommen durch Herrn ...

5.3.2014

60 EUR

Miete Tafelwasseranlage

10.3.2014

70 EUR

Wartung Tafelwasseranlage

25.3.2014

46,41 EUR

Rechnung...

30.3.2014

833 EUR

Einzug Zinsen Sparkasse...

Zwischensumme:

48.842,41 EUR

Hinzu kommen die aus der Kasse abverfügten 574,77 EUR (vgl. Seite 3 unten des Ersturteils in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27.5.2016), so dass insgesamt Zahlungen in der vom LG zugesprochenen Summe von 49.417,19 EUR streitgegenständlich sind.

Der Beklagte hat in der Berufungsinstanz beantragt, das Urteil des LG München I vom 12.4.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die gem. §§ 511 ff ZPO zulässige Berufung des Beklagten ist überwiegend unbegründet.

Das LG hat den Beklagten überwiegend zu Recht zur Zahlung verurteilt, weil der Beklagte als Geschäftsführer der Schuldnerin für die streitgegenständlichen Zahlungen überwiegend nach § 64 GmbHG haftet. Lediglich für die Zahlungen in Bezug auf die Tafelwasseranlage (130 EUR) und für den ganz überwiegenden Teil der am 28.2.2014 von der Sparkasse... eingezogenen Zinsen (832,60 EUR) haftet der Beklagte nicht. Auch schuldet er weniger Zinsen als vom Kläger verlangt. Schließlich war der Beklagte nur Zug um Zug zu verurteilen.

1. Der Beklagte ist für Ansprüche nach § 64 GmbH grundsätzlich passiv legitimiert, denn er wurde am 27.2.2014 zum Geschäftsführer der Schuldnerin bestellt (Anlage K 12), also vor den streitgegenständlichen Zahlungen. Dass er lediglich "kommissarisch" Geschäftsführer werden sollte, ändert daran nichts. Auch der Umstand, dass eine Eintragung des Beklagten ins Handelsregister erst am 13.3.2014 erfolgte, hindert die Anwendung des § 64 GmbHG vor diesem Zeitpunkt nicht, weil die Eintragung im Handelsregister nur deklaratorische Wirkung hat (Karsten Schmidt in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., Rdnr. 82 zu § 46 GmbHG).

2. Die Schuldnerin war zum Zeitpunkt d...

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