Leitsatz (amtlich)

1. Eine Kulanzvereinbarung ist in der Regel rechtlich bindend, wenn sie zur Vermeidung eines Rechtsstreits getroffen wird.

2. Der Rechtsbindungswille der Parteien muss durch Auslegung der Kulanzregelung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung der Angelegenheit sowie der Interessenlage festgestellt werden.

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 16.07.2010; Aktenzeichen 18 O 15388/09)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG München I vom 16.7.2010 - 18 O 15388/09, abgeändert.

Die Beklagte wird über den erstinstanzlich bereits zugesprochenen Betrag hinaus verurteilt, an die Klägerin weitere EUR 18.607,91 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18.3.2009 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits (beider Instanzen) - einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens 18 OH 24178/07 (LG München I) - trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 18.607,91 festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Erstattung von Ersatzvornahmekosten für Malerarbeiten an der Außenfassade der Wohnanlage, F-M-Weg 13 - 15a, München, die von der Beklagten im Jahre 2002 als Bauträgerin errichtet worden ist.

Nachdem die TÜV SÜD Industrie Service GmbH anlässlich einer Ortsbegehung vor Ablauf der bis 20.12.2007 verlängerten Gewährleistungsfrist Mängel der Fassadenfarbe beanstandet hatte (Gutachten vom 13.7.2007 = Anlage K 4), beantragte die Klägerin am 20.12.2007 beim LG München I die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahren u.a. zu folgender Mangelbehauptung. "Die Farbanstriche an sämtlichen Außenfassaden sind übermäßig ausgeblichen und weisen Farbabweichungen auf" (Ziff. I.1 der Antragsschrift in dem Verfahren 18 OH 24178/07). Am 13.2.2008 erließ das LG München I einen entsprechenden Beweisbeschluss und ordnete die Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Daraufhin bot die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 27.2.2008 (Anlage K 5) an, durch die Fa. A (Subunternehmerin) die "streitgegenständlichen Fassaden" überarbeiten und eine neue Beschichtung aufbringen zu lassen, "um den unnötigen Anfall von Gerichts- und Sachverständigenkosten zu vermeiden". Die Durchführung der Arbeiten sollte "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" und "ohne Anerkennung der Mangelhaftigkeit der Fassaden" erfolgen. Mit Schreiben vom 12.3.2008 und 28.3.2008 lehnte die Kläger die angebotene Nachbesserung zunächst mit der Begründung ab, ihr stehe ein "Anspruch auf vorbehaltlose Mängelbeseitigung" zu (Anlage K 6 und K 7). Mit Schreiben vom 8.4.2008 (Anlage B 3) wiederholte die Beklagte ihre Bereitschaft, "die im Schreiben vom 27.2.2008 angekündigten Arbeiten ... auszuführen", und stellte mit weiterem Schreiben vom 15.4.2008 (Anlage K 8) klar, dass "die bereits früher beschriebenen Arbeiten ohne jede Einschränkung" und ohne Vorbehalte angeboten würden. Allerdings werde auch nichts anerkannt. Insofern werde von dem Schreiben vom 27.2.2008 nichts zurückgenommen oder relativiert. Auf dieses Angebot antwortete die Klägerin mit Schreiben vom 21.4.2008 (Anlage K 9), sie nehme erfreut zur Kenntnis, dass die Beklagte "ohne jede rechtliche Einschränkung die in ihrem Schreiben vom 27.2.2008 näher beschriebenen Fassadenarbeiten anbietet". Mit Anwaltsschriftsatz vom 21.4.2008 (Anlage K 12), gerichtet an das LG München I, bat die Klägerin darum, die Beweisaufnahme hinsichtlich der Mangelbehauptung I.1 der Antragsschrift vom 20.12.2007 einstweilen zurückzustellen, da die Beklagte in Kürze an den "verfahrensgegenständlichen Fassaden" eine neue Beschichtung aufbringen lasse. In der Folgezeit ließ die Beklagte sämtliche Fassadenflächen mit Ausnahme der in hellem Gelbton gestrichenen Westfassade nacharbeiten (ca. 640 m2). Da die Beklagte den Neuanstrich der hellgelben Restfläche endgültig verweigerte, beauftragte die Klägerin die R-GmbH mit der Durchführung der Ersatzvornahme (Rechnung vom 27.8.2008 i.H.v. EUR 18.607,91 = Anlage K 10).

Durch Endurteil vom 16.7.2010, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird (Bl. 59 - 73 d.A.), hat das LG München I die Beklagte wegen fehlerhafter Putzanschlüsse und Verfärbungen in den Eckbereichen der Fassaden zur Zahlung von EUR 3.500 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.10.2009 verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Das LG hat ausgeführt, dass der Klägerin kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Neuanstrich der hellgelben Fassadenbereiche zustehe, da die Parteien eine entsprechende Leistungspflicht der Beklagten nicht durch einen eigenständigen Vergleichsvertrag begründet hätten und es der Klägerin auch nicht gelungen sei, die Mangelhaftigkeit der hellgelben Fassadenteile nachzuweisen.

Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 65 - 71 d.A. verwiesen.

Gegen dieses ihr am 28.7.2010 zugestellte...

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