Entscheidungsstichwort (Thema)

Stufenklage: Zulässigkeit der Rückkehr von der dritten in die zweite Stufe; Anspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der auf Antrag des Klägers stets mögliche Wechsel von der Auskunfts- zur Leistungsstufe ist keine Klageänderung nach § 263 ZPO, sondern eine stets zulässige Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO, desgleichen das Übergehen einer ursprünglich angekündigten zweiten Stufe; die Wechselerklärung kann zwar als Prozesshandlung nicht widerrufen werden, aber die Rückkehr des Klägers in die erste Stufe ist wiederum nach § 264 Nr. 2 ZPO zuzulassen.(Rz. 17)

2. Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist gem. § 2314 Abs. 1 BGB i.V.m. § 260 Abs. 2 BGB gerechtfertigt, wenn das Offenbaren des Gesamtumfangs des Nachlasses nur sukzessive auf Nachfrage erfolgte, wobei die Unvollständigkeit bei gehöriger Sorgfalt hätte vermieden werden können.(Rz. 20) Tenor

 

Normenkette

BGB § 260 Abs. 2, § 2314 Abs. 1; ZPO §§ 254, 263, 264 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Urteil vom 19.08.2011)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil des LG Traunstein vom 19.8.2011 aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an Eides statt zu versichern, dass er den Bestand des Nachlasses und die darin enthaltenen Auskünfte über lebzeitige Zuwendungen und Vorempfänge sowie der Güterstände, in denen die Erblasserin gelebt hat, wie mit Nachlassverzeichnis vom 5.10.2009 sowie in den Schriftsätzen seines Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt E. vom 28.1.2010 und 28.6.2010 angegeben, nach bestem Wissen so vollständig angegeben hat, wie er dazu in der Lage war.

III. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin, vom Beklagten eine eidesstattliche Versicherung hinsichtlich seiner Angaben zum Bestand des Nachlasses und der darin enthaltenen Auskünfte über lebzeitige Zuwendungen und Vorempfänge sowie der Güterstände, in denen die Erblasserin, die gemeinsame Mutter der Parteien, lebte, zu erhalten.

Die Klägerin macht gegen den durch Testament vom 9.6.2003 von der Erblasserin zum Alleinerben eingesetzten Beklagten Pflichtteilsansprüche geltend. Mit der am 19.11.2009 beim LG Traunstein eingegangenen Stufenklage hatte sie erstens Auskunft über den Bestand des Nachlasses, zweitens Wertermittlung, drittens Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und viertens Zahlung des Pflichtteils nach Maßgabe der Auskunftserteilung und Wertermittlung beantragt. Mit klägerischem Schriftsatz vom 22.7.2010 war die Klage - mit entsprechender Zustimmung des Beklagten - hinsichtlich Ziff. 1. und 2. für erledigt erklärt worden. Mit klägerischem Schriftsatz vom 19.8.2010 war Ziff. 4. des Antrags der Klageschrift vom 18.11.2009 nunmehr beziffert worden.

In der am 29.7.2011 durchgeführten mündlichen Verhandlung hatte die Klägerin den Antrag aus Ziff. 3. der Klage vom 18.11.2009 (eidesstattliche Versicherung) gestellt.

Das LG Traunstein hat mit am 19.8.2011 verkündeten Teilurteil die Klage auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung abgewiesen. Auf das Urteil (Bl. 98/104 d.A.) wird insoweit Bezug genommen. Desweiteren wird auf die im erstinstanziellen Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 9.7.2010 (Bl. 37/39 d.A.) und vom 29.7.2011 (Bl. 96/97 d.A.) verwiesen.

Mit ihrer Berufung gegen das Teilurteil verfolgt die Klägerin ihr Ziel auf Abgabe der Versicherung an Eides statt gegen den Beklagten weiter. Sie wendet sich gegen die Auffassung des Erstgerichts, dass die Klägerin Ansprüche insoweit nicht mehr geltend machen könne und die Klage insoweit nicht mehr zulässig sei, da sie durch den Schriftsatz vom 19.8.2010 zur Zahlungsklage übergegangen sei und damit Ansprüche auf der zweiten Stufe der Stufenklage (eidesstattliche Versicherung) nicht mehr weiter verfolgt werden konnten. Einverständlich für erledigt erklärt sei ausdrücklich nur die erste Stufe (Auskunft) gemäß den Klageanträgen zu I. und II.. Die rechtshängige zweite Stufe der Klage (eidesstattliche Versicherung) sei hingegen weder für erledigt erklärt noch zurückgenommen worden, noch habe das Gericht darüber entschieden. Die Klägerin habe den Anspruch auf Verurteilung des Beklagten zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung während des gesamten Rechtsstreits niemals aufgegeben. Dies ergebe sich nicht zuletzt aus dem Schriftsatz vom 19.8.2010, mit welchem ausdrücklich zum Ausdruck gebracht worden sei, dass die Berechnung zur Bezifferung der Forderung "vorbehaltlich etwaiger Änderungen durch neue Erkenntnisse" erfolge. Auch die Beweisaufnahme in Form der Ermittlung des wahren Werts der Immobilie stehe dem weiter verfolgten Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hinsichtlich des Nachlasses nicht entgegen. Er...

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