Entscheidungsstichwort (Thema)

Fiktive Kostenersparnis bei auswärtigem Prozessbevollmächtigten – angerechnete Geschäftsgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Die Reisekosten eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten sind nicht mit der Begründung zu erstatten, dass der Prozessbevollmächtigte bereits vorprozessual für die Partei tätig war und im Falle eines Anwaltswechsels der Gegner die (dann nicht nach § 118 Abs. 2 BRAGO anzurechnende) Geschäftsgebühr zu ersetzen gehabt hätte.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 2 S. 1 2. Hs

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 4 HKO 200/01)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Beschwerdewert beträgt bis zu 1.200 DM.

 

Tatbestand

Der Beklagte meint, die Reisekosten seines auswärtigen Prozessbevollmächtigten zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung seien zu erstatten. Die Beauftragung des auswärtigen Prozessbevollmächtigten sei für den Kläger billiger gewesen, da der auswärtige Anwalt bereits vorprozessual bei der Erwiderung auf die klägerische Abmahnung tätig gewesen sei. Die hierdurch entstandene 7,5/10 Geschäftsgebühr sei auf die Prozessgebühr anzurechnen.

 

Entscheidungsgründe

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats müssen vorprozessuale Kosten bei der Kostenfestsetzung außer Betracht bleiben, da sie nicht zu den Kosten des Rechtsstreits gehören, die Kostengrundentscheidung aber nur die Kosten des Rechtsstreits erfasst (OLG München v. 6.4.2001 – 11 W 946/01, OLGR München 2001, 247 = MDR 2001, 773 ff.; ebenso hinsichtlich der vorprozessual entstandenen Geschäftsgebühr gem. § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO, OLG Karlsruhe AnwBl. 2001, 119). Das gilt auch für die vorprozessuale Tätigkeit eines Anwalts im wettbewerbsrechtlichen Abmahnverfahren (OLG München v. 10.5.1995 – 11 W 1254/95; ebenso OLG Koblenz JurBüro 1985, 1885; OLG Frankfurt v. 6.12.1984 – 6 W 134/84, MDR 1985, 414; OLG Schleswig JurBüro 1985, 1864; OLG Düsseldorf JurBüro 1982, 1508; OLG Hamburg JurBüro 1993, 487).

b) Ein Erstattungsanspruch ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt ersparter Kosten. In Betracht käme lediglich die Ersparnis eines materiell-rechtlichen Entschädigungsanspruchs der erstattungsberechtigten Partei. Materiell-rechtliche Ansprüche sind, wie oben dargelegt, aber im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu beachten.

Allerdings berücksichtigt der Senat aus Gründen der Prozessökonomie, um ein weiteres Streitverfahren zu vermeiden, im Kostenfestsetzungsverfahren materiell-rechtliche Einwendungen, wenn die zu Grunde liegenden Tatsachen feststehen und auch hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung keine Zweifel bestehen (OLG München JurBüro 1999, 146; ebenso Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., §§ 103, 104 Rz. 21 „materiell-rechtliche Einwendungen”). Der Gesichtspunkt der Prozessökonomie kann im vorliegenden Zusammenhang aber nicht eingreifen. Ein streitiges Verfahren wird nicht vermieden. Da die Geschäftsgebühr gem. § 118 Abs. 2 BRAGO auf die Prozessgebühr anzurechnen ist, steht fest, dass auch materiell-rechtlich kein Erstattungsanspruch hinsichtlich der Geschäftsgebühr besteht. Im Übrigen handelt es sich hier nicht um einen Einwand gegen einen bestehenden Kostenerstattungsanspruch, sondern um den Versuch, mittels eines materiell-rechtlichen Anspruchs einen Erstattungsanspruch im Kostenfestsetzungsverfahren erst zu begründen, was vom Senat, z.B. auch im Fall der sog. Rückfestsetzung, abgelehnt wird (vgl. OLG München JurBüro 1993, 676).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Florentz Vorsitzende, Dr. Rönnebeck Richterin, Dr. Müller-Rabe Richter

am OLG

 

Fundstellen

Haufe-Index 1108007

FamRZ 2002, 680

JurBüro 2002, 152

EzFamR aktuell 2002, 160

MDR 2002, 237

OLGR Düsseldorf 2002, 32

OLGR Frankfurt 2002, 32

OLGR Hamm 2002, 32

OLGR Köln 2002, 32

KG-Report 2002, 32

NJOZ 2002, 40

OLGR-BHS 2002, 32

OLGR-CBO 2002, 32

OLGR-KSZ 2002, 32

OLGR-KS 2002, 32

OLGR-MBN 2002, 32

OLGR-MBN 2002, 56

OLGR-NBL 2002, 32

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