Leitsatz (amtlich)

1. Ein Spruchverfahren ist nicht statthaft, wenn auf Antrag der Gesellschaft die Zulassung der Aktie zum Handel im regulierten Markt widerrufen wird.

2. Das gilt auch dann, wenn ein Abfindungsangebot unterbreitet und ein Spruchverfahren bereits vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8.10.2013 zur Aufgabe der "Macrotron"-Rechtsprechung eingeleitet worden war.

 

Normenkette

SpruchG § 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 28.05.2014; Aktenzeichen 5HK O 19239/07)

 

Tenor

I. Die Beschwerden der Antragsteller zu 54) und 57) gegen den Beschluss des LG München I vom 28.05.2014 werden verworfen.

II. Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 50), 51), 52), 53), 55) und 56) gegen den Beschluss des LG München I vom 28.05.2014 werden zurückgewiesen.

III. Die Antragsgegnerinnen tragen als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die Vergütung des gemeinsamen Vertreters.

IV. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet im Beschwerdeverfahren nicht statt.

V. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000 Euro festgesetzt.

VI. Die Vergütung des gemeinsamen Vertreters für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.856,55 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Frage, ob die nach einem Delisting angebotene Barabfindung im Spruchverfahren auf ihre Angemessenheit zu überprüfen ist.

1. Die Aktien der Antragsgegnerin zu 2) waren im geregelten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse notiert. Die Antragsgegnerin zu 1) hielt Mitte 2007 rund 86 % der Aktien. Die Hauptversammlung fasste am 17.07.2007 den Beschluss, den Vorstand zu ermächtigen, einen Antrag auf Widerruf der Zulassung der Aktien der Gesellschaft zum geregelten Markt (General Standard) der Frankfurter Wertpapierbörse zu stellen. Die Mehrheitsaktionärin bot zugleich an, die Aktien der übrigen Aktionäre gegen Zahlung einer Barabfindung in Höhe von 1,89 Euro je Stückaktie zu erwerben, entsprechend dem durchschnittlichen gewichteten Börsenkurs des 3-Monats-Zeitraums vor der Ad-Hoc-Mitteilung. Ferner stimmte die Hauptversammlung dem Abschluss eines Beherrschungsvertrages zu. Beide Beschlüsse der Hauptversammlung wurden angefochten und in erster Instanz für nichtig erklärt. Hinsichtlich des Beschlusses zum Delisting wurde das Ersturteil in der Berufungsinstanz aufgehoben und die Anfechtungsklage zurückgewiesen. Nach Rechtskraft des Berufungsurteils beantragte der Vorstand im April 2009 den Widerruf der Börsenzulassung. Die Börse Frankfurt gab dem Antrag mit Beschluss vom 12.05.2009 statt, die Zulassung der Aktie endete am 12.08.2009. In der Folge schloss die Antragsgegnerin zu 2) erneut einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der Antragsgegnerin zu 1) ab, dem die Hauptversammlung am 10.1.2011 zustimmte. Zur Angemessenheit des Ausgleichs und der Abfindung in Höhe von 2,20 EUR ist ein Spruchverfahren anhängig.

Die Antragsteller haben geltend gemacht, die angebotene Abfindung von 1,89 EUR sei unangemessen niedrig. Das Spruchverfahren sei auch nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08.10.2013 aus Gründen des Vertrauensschutzes fortzuführen.

2. Das LG hat mit Beschluss vom 28.05.2014 die Anträge zurückgewiesen mit der Begründung, das Spruchverfahren sei nicht (mehr) statthaft. Der Bundesgerichtshof habe mit Beschluss vom 08.10.2013 seine in dem Urteil vom 25.11.2002 ("Macrotron") vertretene Auffassung aufgegeben, wonach ein Delisting ein der gerichtlichen Kontrolle in einem Spruchverfahren unterliegendes Abfindungsangebot nach sich ziehen müsse. Weder aus Art. 14 Abs. 1 GG noch aus einfachrechtlichen Vorschriften lasse sich das Erfordernis eines Pflichtangebots mit einem anschließenden Spruchverfahren ableiten. Bei bereits eingeleiteten, noch nicht rechtskräftig beendeten Spruchverfahren sei auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen. Darin liege keine unzulässige Rückwirkung und auch kein Verstoß gegen Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes. Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtsgrundlage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen könne in der Regel nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung entstehen. Eine unzumutbare Härte für die Antragsteller liege nicht vor. Zu einer Verringerung der in einem bestandskräftigen Hauptversammlungsbeschluss festgelegten Kompensation könne es im Spruchverfahren nicht kommen. Ein Vertrauen auf den Fortbestand der höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprechend der Grundsätze der "Macrotron"-Entscheidung sei nicht schutzwürdig. Zudem habe der Bundesgerichtshof diese Entscheidung aus dem Jahre 2002 danach nicht mehr bestätigt. Auch wenn die Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse die Frist zur Veräußerung der Aktien im Falle eines nachfolgenden Spruchverfahrens von 6 auf 3 Monate verkürze, habe in dieser verkürzten Zeit hinreichend Zeit bestanden, die Aktien der Antragsgegnerin zu 2) zu veräußern. Aus der Bekanntmachung zur Hauptversamm...

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