Leitsatz (amtlich)

Der Notar hat bei der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung seiner Urkunde lediglich ein formelles Prüfungsrecht. Lediglich seine positive Kenntnis davon, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, berechtigt ihn zur Verweigerung der Klauselerteilung.

 

Normenkette

BeurkG § 52

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Beschluss vom 14.01.2005; Aktenzeichen 1 T 2641/04)

 

Tenor

I. Der Beschluss des LG Kempten (Allgäu) vom 14.1.2005 wird aufgehoben.

II. Auf die weitere Beschwerde hin wird der Notar P.W., Sch.M., A.-straße, L. angewiesen, der Beschwerdeführerin eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde des Notars Dr. St. vom 11.12.1956 - UrkNr. ... - zu erteilen.

 

Gründe

I. Der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin verkaufte zu notarieller Urkunde des Notars Dr. St in L vom 11.12.1956 - UrkNr. ... ein Grundstück. Der Restkaufpreis i.H.v. 45.000 DM sollte in monatlichen Raten von je 350 DM zwischen 1957 und 1967 von der Käuferin an den Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin bezahlt werden. Wegen dieser Forderung unterwarf sich die damalige Käuferin in der notariellen Urkunde der Zwangsvollstreckung über ihr Vermögen. Seither wurde eine vollstreckbare Ausfertigung nicht erteilt. Auf beiden Seiten fanden mittlerweile mehrere Erbgänge statt. Die Beschwerdeführerin ist nunmehr Mitberechtigte auf Eigentümerseite; sie erfuhr erstmals 2002 von dem Vorgang und beantragte am 29.8.2004 unter Hinweis auf den "fehlenden Nachweis der Bezahlung" die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung.

Der Rechtsnachfolger des Urkundsnotars wies diesen Antrag am 20.9.2004 zurück. Hiergegen legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein. Sie wurde vom LG Kempten mit Beschl. v. 14.1.2005 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer durch Anwaltschriftsatz eingereichten weiteren Beschwerde.

II. Die weitere Beschwerde ist nach § 54 Abs. 2 BeurkG i.V.m. § 27 FGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache Erfolg:

1. Das LG hat ausgeführt: Grundsätzlich sei eine vollstreckbare Ausfertigung gem. § 52 BeurkG zu erteilen, wobei dem Notar die inhaltliche Prüfung des Titels nicht obliege. Eine Grenze für die Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen werde jedoch aus dem allgemeinen Redlichkeitsgebot des Notars gezogen. Der Notar sei unter Umständen berechtigt, die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung abzulehnen. Es liege hier eine rechtsmissbräuchliche Antragstellung vor, weil die Bestellung der Hypothek beinahe 50 Jahre zurückliege. Sämtliche Zahlungen nach dem Kaufvertrag seien bis September 1967 zu leisten gewesen; der Käufer sei 1968 verstorben. Da früher keine vollstreckbaren Ausfertigungen beantragt wurden, sei davon auszugehen, dass die Zahlungen geleistet wurden. Schließlich habe die Beschwerdeführerin selbst nicht einmal substantiiert behauptet, dass der Kaufpreis nicht ordnungsgemäß bezahlt worden sei.

2. Diese Ausführungen des LG halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Für die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde ist eine mit einer Vollstreckungsklausel versehene Ausfertigung der Urkunde notwendig. Sie wird vom Notar nach § 52 BeurkG erteilt. In die Zuständigkeit des Notars fällt auch die Umschreibung der Urkunde auf den Rechtsnachfolger. Die Umschreibung ist vorzunehmen, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Vollstreckungsklausel gegeben sind und die behauptete Rechtsnachfolge offenkundig oder durch öffentliche bzw. öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen ist. Dies steht hier nicht in Frage.

Der Notar hat immer nur die formelle Berechtigung des Antragstellers zu prüfen (BayObLG DNotZ 1977, 77 [78]). Auch das Beschwerdegericht hat keinen weiteren Prüfungsumfang, darf also nicht Umstände berücksichtigen, die der Notar seinerseits bei Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung nicht berücksichtigen könnte (Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, München 1978, Rz. 56. 2). Zu einer sachlich-rechtlichen Prüfung - insb. über die Frage, ob der materiell-rechtliche Anspruch noch besteht - ist der Notar nicht berechtigt (Huhn/von Schuckmann, BeurkG, 3. Aufl., § 52 Rz. 66, m.w.N.; ebenso Keidel/Winkler, BeurkG, 14. Aufl., § 52 Rz. 17). Allerdings besteht Einigkeit darüber, dass der Notar offensichtlichem Unrecht nicht die Hand bieten darf (KG DNotZ 1951, 274). Er muss also eine vollstreckbare Ausfertigung dann verweigern, wenn er positiv weiß, dass der Anspruch nicht mehr besteht (LG Koblenz DNotZ 1972, 190). Gleiches gilt, wenn ihm dies durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen wird (LG Düsseldorf MittBayNot 1977, 252). In entsprechender Weise muss der Notar sonstige offenkundige materiell-rechtliche Einwendungen berücksichtigen (Huhn/von Schuckmann, BeurkG, 3. Aufl., § 52 Rz. 67). Bloße Zweifel berechtigen allerdings den Notar nicht zur Verweigerung der Klauselerteilung und zwar auch dann nicht, wenn sich der Gläubiger zur Frage der Befriedigung nicht äußert (Huhn/von Schuckma...

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