Entscheidungsstichwort (Thema)

Pfändungsschutz für die private Altersrente

 

Normenkette

ZPO §§ 850b, 851c; EGZPO § 20 Abs. 1, § 21 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 10.11.2015; Aktenzeichen 26 O 19572/12)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des LG München I vom 10.11.2015, Az. 26 O 19572/12, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die von der Berufung aufgezeigten Gesichtspunkte rechtfertigen eine hiervon abweichende Beurteilung nicht.

1. Der Kläger hat weder einen Erfüllungsanspruch noch einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte; er ist nicht aktiv legitimiert - Pfändungsschutzvorschriften zu seinen Gunsten sind nicht anzuwenden. Aktiv legitimiert ist vielmehr die R. bank G. - K. e.G. (im Folgenden: Bank).

Die Pfändungen und Überweisungen durch die Bank, die in den Jahren 1997 und 2001 erfolgten, umfassten das Stammrecht und die daraus entstehenden künftigen Ansprüche.

Die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850b und 851c ZPO sind - wie das LG zutreffend festgestellt hat - vorliegend nicht anwendbar.

1.1. § 850b ZPO ist auf die reine Altersrente schon vom Wortlaut her nicht anwendbar. Zutreffend hat das LG auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15.07.2010 - Az. IX ZR 132/09 bewertet. Aus dieser Entscheidung kann nicht entnommen werden, dass die Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut auf reine Altersrenten anwendbar sein soll. Aus der Entscheidung ergibt sich vielmehr, dass - wie auch vom Wortlaut der Vorschrift umfasst - diese auch auf die in der Vorschrift bezeichneten Einkünfte (dort Berufsunfähigkeitsrente) von Selbstständigen anzuwenden ist, nicht aber dass die Vorschrift erweiternd auf reine Altersrenten anzuwenden sein soll.

1.2. § 851c ZPO ist zum einen deshalb nicht anwendbar, weil die Versicherung nicht unkündbar ist, (§ 851c Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Ein Pfändungsschutz nach § 851c ZPO setzt voraus, dass eine Verfügung (Abtretung, Verpfändung oder Kündigung) über die Ansprüche vertraglich unwiderruflich ausgeschlossen ist (Becker in Musielak ZPO, 13. Auflage 2016, § 851c Rn. 2). Dass der Versicherungsnehmer ein Kündigungsrecht hatte, ergibt sich aus § 4 der Allgemeinen Bedingungen (Anlage zum Schreiben der Beklagten vom 23.01.2013 - Bl. 18 d.A.). Aus den vorgelegten vertraglichen Vereinbarungen - und auch daraus, dass ein anderer Vertrag mit einem Kapitalwahlrecht vereinbart wurde, ergibt sich nicht, dass das in den Versicherungsbedingungen zugestandene Kündigungsrecht ausgeschlossen worden wäre.

Zum anderen galt diese Vorschrift zur Zeit der Pfändung noch gar nicht. § 851c ZPO ist erst mit Wirkung zum 31.03.2007 in Kraft getreten. Die Pfändungen und Überweisungen erfolgten 1997 und 2001. Eine Rückwirkung entfaltet § 851c ZPO nicht. Eine solche müsste gesetzlich geregelt sein. Eine entsprechende gesetzliche Regelung fehlt allerdings. Die Bank hatte bereits vor In-Kraft-Treten des Gesetzes eine gesicherte Rechtstellung erlangt. Sie hatte mit der Pfändung und Überweisung Anspruch auf die künftigen Rentenzahlungen. Durch In-Kraft-Treten des Gesetzes wurde ihr diese Rechtsstellung nicht entzogen. Der Pfändungsschutz für die private Altersrente gilt für Pfändungen und Überweisungen, die nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes erfolgen; er erfasst nicht rückwirkend bereits dem Gläubiger aufgrund einer wirksamen Pfändung und Überweisung zustehende Ansprüche. Diese vom LG vertretene Rechtsauffassung trifft zu. Weder ergibt sich aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzesbegründung zu § 851c ZPO, dass eine bereits entstandene - eigentumsrechtlich geschützte Rechtsposition - dem Gläubiger wieder (teilweise) entzogen werden soll. Vielmehr deutet der Wortlaut "... dürfen gepfändet werden ..." darauf hin, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift eine Regelung für künftige Pfändungen treffen wollte. Anders, als beispielsweise in § 20 Abs. 1 EGZPO (neu gefasst mit Wirkung vom 1.1.2002 durch Gesetz vom 13.12.2001 - BGBl. I S. 3638) oder in § 21 Abs. 1 EGZPO (eingeführt mit Wirkung vom 25.4.2006 durch Gesetz vom 19.04.2006 (BGBl. I S. 866), fehlt für den vorliegenden Fall - § 851c ZPO wurde eingefügt mit Wirkung vom 31.03.2007 durch Gesetz vom 26.3.2007 (BGBl. I S. 368) - eine entsprechende Übergangsregelung, so dass auch deshalb davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber in eigentumsrechtlich geschützte Positionen der Gläubiger durch Einführung des § 851c ZPO nicht eingreifen wollte und der Pfändungsgläubiger hinsichtlich bereits gepfändeter Forderun...

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