Entscheidungsstichwort (Thema)

Triftige Gründe für Auswanderung; Sorgerechtskriterien. Elterliche Sorge: Triftige Gründe für Auswanderung. Sorgerechtskriterien

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Will der der Sorgerechtsinhaber mit dem gemeinsamen Kind auswandern (hier: nach Mexiko), so muss er für seinen Wegzug triftige Gründe haben, die schwerer wiegen als die Umgangsinteressen von Kind und anderem Elternteil.

2. Zu den Kriterien für eine (auch teilweise) Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge.

 

Normenkette

BGB § 1626 Abs. 3 S. 1, § 1671; GG Art. 2, 6

 

Verfahrensgang

AG Starnberg (Beschluss vom 19.11.2008; Aktenzeichen 2 F 678/08)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 28.04.2010; Aktenzeichen XII ZB 81/09)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Starnberg vom 19.11.2008 - 2 F 678/08, aufgehoben.

2. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsame Tochter der Parteien, L.V., geb. 12.5.2001, wird der Antragstellerin übertragen.

3. Die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

4. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Parteien sind die Eltern der am 12.5.2001 geborenen Tochter L. Sie schlossen am 6.4.2001 die Ehe, trennten sich aber bereits im März 2003. Die Ehe der Parteien wurde am 24.11.2004 geschieden. L. wurde nach der Trennung der Parteien von der Antragstellerin betreut und versorgt, der Antragsgegner übt regelmäßig den Umgang mit seiner Tochter aus.

Die Antragstellerin ist freiberufliche Kommunikationswissenschaftlerin und derzeit neben der Kinderbetreuung in Teilzeit Projektleiterin in der Marktforschung. Der Antragsgegner war und ist selbständig tätig. Seit 2 ½ Jahren hat die Antragstellerin einen Lebensgefährten, der als freiberuflicher Modefotograf und Bauunternehmer beschäftigt ist. Er ist nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Antragstellerin vermögend und u.a. Eigentümer eines Hauses mit großem Grundstück in Yucatan/Mexiko, in dem er auch lebt.

Die Antragstellerin beabsichtigt, zusammen mit der Tochter L. nach Mexiko umzuziehen und mit ihrem Lebensgefährten in Yucatan zusammen zu leben. Sie plant eine dauerhafte berufliche Zusammenarbeit mit ihrem Lebensgefährten und will insbesondere in die Baugeschäfte ihres Lebensgefährten einsteigen. Außerdem ist der Betrieb einer Ferienpension auf dem Grundstück des Lebensgefährten angedacht. Als Hauptmotiv, nach Mexiko gehen zu wollen, gibt die Antragstellerin an, es entspräche ihren privaten Wünschen und Bedürfnissen, mit ihrem Lebensgefährten, mit dem sie seit Jahren eine Liebesbeziehung pflege, zusammen zu ziehen.

Der Antragsgegner ist mit einer Übersiedlung des gemeinsamen Kindes nach Mexiko nicht einverstanden.

Mit Beschluss vom 19.11.2008 wies das AG - Familiengericht - Starnberg den Antrag der Antragstellerin und den Antrag des Antragsgegners auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die gemeinsame Tochter L. zurück.

Gegen diese der Antragstellerin am 5.12.2008 zugestellte Entscheidung legte sie mit Schriftsatz vom 18.12.2008, eingegangen beim OLG München am 22.12.2008, Beschwerde ein. Die Antragstellerin begründete ihr Rechtsmittel im Wesentlichen damit, dass es dem Wohl der gemeinsamen Tochter L. entspreche, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Antragstellerin zu übertragen. Sie sei die Hauptbezugsperson der gemeinsamen Tochter und damit Garant der Beziehungskontinuität. Die Antragstellerin müsse das Recht haben, ihr Leben jenseits des Wohnsitzes des Vaters zu gestalten, ihre berufliche Karriere zu verfolgen und auch im Übrigen ihr Glück als Frau an der Seite eines anderen Mannes zu suchen. Eine Trennung von der Hauptbezugsperson sei für das Kind langfristig schädlicher als ein Wegzug aus Deutschland. Die Ausübung des Umgangs des Kindes mit dem Vater sei weiterhin möglich. Die Parteien seien finanziell in der Lage, ca. drei Mal im Jahr Flüge für die Tochter zu bezahlen, damit sie den Umgang mit dem Antragsgegner in den Ferien wahrnehmen könne. Der Antragsgegner könne sogar zusätzlich nach Mexiko fliegen, um seine Tochter auch dazwischen noch zu besuchen. Darüber hinaus sei auch ein Kontakt mittels Fernkommunikationsmitteln weiterhin möglich. Wegen der weiteren Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 4.2.2009, Blatt 66/75 d.A., Bezug genommen.

Der Antragsgegner legte mit Schriftsatz vom 3.3.2009 Anschlussbeschwerde ein und beantragte, den Beschluss des AG dahingehend abzuändern, dass dem Antragsgegner das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen werde. Der Antragsgegner trägt vor, aus Kindeswohlgründen könne einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Antragstellerin wegen des sich daraus zwingend ergebenden Umzugs von L. nach Mexiko nicht stattgegeben werden. Ein Umzug nach Mexiko stelle zwangsläufig den Verlust einer Bindungsperson von L. dar. Ein Wegfall regelmäßiger Kontakte zu beiden Elternteilen in kurzen Abständen würde Livas Entwicklung negativ beeinträchtigen. L. sei in den Klassenverbund sehr gut eingebund...

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