Leitsatz (amtlich)

1. Spricht das AG die Adoption eines Volljährigen aus und lehnt es dabei zugleich den Antrag ab, die Wirkungen der Minderjährigenadoption auszusprechen, so ist diese Ablehnung - trotz der Unanfechtbarkeit des Adoptionsdekrets als solches - mit der Beschwerde anfechtbar.

2. § 1772 Abs. 1 Satz 1 lit. b BGB setzt voraus, dass der Anzunehmende als Minderjähriger tatsächlich in der Familie des Annehmenden gelebt hat. Der Fall, dass dies gewollt, aber aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich war (hier: aus Gründen des Asylverfahrensrechts), steht dem nicht gleich.

 

Normenkette

BGB § 1772; FGG § 56e S. 3

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Beschluss vom 27.01.2010; Aktenzeichen 5 T 88/10)

AG Augsburg (Aktenzeichen XVI 38/09)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des LG Augsburg vom 27.1.2010 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit notarieller Urkunde vom 25.8.2009 beantragten die Beteiligten zu 1 und 2 die Annahme des volljährigen Beteiligten zu 2 (geb. 1982) als Kind durch den Beteiligten zu 1 (geb. 1952) mit den Wirkungen der Minderjährigenadoption.

Die Beteiligten sind iranischer Abstammung. Der Beteiligte zu 1 lebt seit rund 20 Jahren in Deutschland, seit 2004 in Augsburg, davor in Kiel. Er hat im Jahr 2000 im Wege der Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Er ist schwerbehindert und pflegebedürftig. Seine volljährige Tochter lebt im Iran.

Der Beteiligte zu 2 ist ein Neffe des Beteiligten zu 1. Nach seinen Angaben kam er 1996 als Minderjähriger mit seinen Eltern zum Zwecke der Asylantragstellung nach Deutschland. Damals habe er erstmals den Onkel bewusst kennen gelernt, der ihn jedoch schon als kleines Kind gekannt habe. Während der Asylverfahren, die sich bis 2003 hingezogen hätten, habe er in der ihm zugewiesenen Sammelunterkunft in Augsburg wohnen müssen. Das habe sich erst geändert, als er im Jahr 2004 - als Volljähriger - durch seine damalige Heirat mit einer Deutschen, von der er zwischenzeitlich geschieden sei, eine Aufenthaltserlaubnis erhalten habe. Zuvor habe er den Onkel an den Wochenenden regelmäßig in Kiel besucht. Der Onkel, den er seit 2004 pflege, und er fühlten sich wie Vater und Sohn. Zu seinen Eltern, die nach wie vor ebenfalls in Deutschland leben, habe er seit langem ein schlechtes Verhältnis. Seine Mutter hat in die Adoption eingewilligt. Vom Vater liegt keine Erklärung vor.

Mit Beschluss vom 24.11.2009 sprach das AG die Adoption aus, gegründet auf §§ 1767, 1768 und 1770 BGB. Den beantragten Ausspruch, dass sich die Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Minderjährigenadoption richten (§ 1772 BGB), lehnte das AG ab. Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Anzunehmende nach eigenen Angaben nicht schon als Minderjähriger in die Familie des Annehmenden aufgenommen wurde. Gegen diese Ablehnung legte der Annehmende Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 27.1.2010 wies das LG die Beschwerde zurück. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Annehmenden.

II. Die zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt: § 1772 Abs. 1 Satz 1 lit. b BGB setze voraus, dass der Anzunehmende bereits als Minderjähriger in die Familie des Annehmenden aufgenommen worden sei. Notwendig sei zum einen die räumliche Aufnahme, zum anderen, dass bereits während der Minderjährigkeit faktisch ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden sei. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Der Anzunehmende habe seinen Lebensmittelpunkt in Augsburg gehabt, während der Lebensmittelpunkt des Annehmenden in Kiel gewesen sei. Es hätten lediglich Besuche stattgefunden. Erst deutlich nach Eintritt der Volljährigkeit des Anzunehmenden habe der Annehmende im Jahr 2004 seinen Wohnsitz nach Augsburg verlegt, wobei er aber keine gemeinsame Wohnung mit dem Anzunehmenden gewählt habe. Vor diesem Hintergrund sei bereits fraglich, ob überhaupt eine Aufnahme des Anzunehmenden in die Familie des Annehmenden jemals gewollt gewesen war. Selbst wenn diese Absicht bestanden haben sollte und eine Aufnahme aus Gründen des Asylverfahrens nicht möglich gewesen sein sollte, lägen die Voraussetzungen des § 1772 Abs. 1 Satz 1 lit. b BGB nicht vor.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Zutreffend sind die Vorinstanzen stillschweigend davon ausgegangen, dass sich die Adoption nach deutschem Recht richtet, da es insoweit auf die Staatsangehörigkeit des Annehmenden ankommt und dieser die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (Art. 22 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Die iranische Staatsangehörigkeit des Anzunehmenden, die im Rahmen des Art. 23 EGBGB eine Rolle spielen könnte, lässt das Adoptionsstatut (deutsches Recht) unberührt. Das Verfahren richtet sich nach dem vor Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes geltenden alten Recht, da der Adoptionsantrag vor dem 1.9.2009 beim damals zuständigen Vor...

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