Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfolgreiche Richterablehnung wegen unangemessener Äußerungen in der mündlichen Verhandlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Gericht ist nicht verpflichtet, dasjenige in das Protokoll aufzunehmen, was die ablehnende Partei als Begründung eines Befangenheitsgesuchs aufgenommen haben möchte.

2. In der Formulierung eines Richters, der Beklagtenvertreter habe "irgendwelche Formulierungen" zu Protokoll geben wollen, wird die mangelnde Bereitschaft des Richters deutlich, dem Beklagtenvertreter die Gelegenheit zu geben, die der Partei zustehenden prozessualen Rechte angemessen und ohne unnötigen Zeitdruck auszuüben, zumal in der Formulierung noch eine Abwertung der Person und des fachlichen Könnens des Beklagtenvertreters liegt.

3. Mit der Betonung, dass der Beklagtenvertreter den Prozess gerne in München so führen könne, nicht aber in Passau, gibt der abgelehnte Richter zu erkennen, dass der Beklagtenvertreter offensichtlich nicht in der Lage ist, die (besonderen) Anforderungen seiner Kammer zu erfüllen.

4. Nach seiner Ablehnung darf ein Richter nicht die Einreichung einer Leseabschrift des handschriftlich begründeten Ablehnungsgesuchs anfordern.

 

Normenkette

ZPO § 42 Abs. 2, §§ 47, 160

 

Verfahrensgang

LG Passau (Beschluss vom 22.01.2018; Aktenzeichen 1 O 560/15)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten werden die Beschlüsse des Landgerichts Passau vom 19.12.2017 sowie vom 22.01.2018 (Az.: 1 O 560/15) aufgehoben.

II. Das Ablehnungsgesuch des Beklagten vom 19.10.2017 gegen den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... wird für begründet erklärt.

III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Mit ihrer am 19.08.2015 erhobenen Klage verlangt die Klagepartei vom Beklagten im Rahmen einer erbrechtlichen Auseinandersetzung im Wege der Stufenklage Auskunft, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und die Herausgabe noch zu bezeichnender Nachlassgegenstände.

Mit Schriftsatz vom 23.02.2017 erklärte die Klagepartei die erste Stufe der Klage auf Auskunft für erledigt und stellte den Antrag in der zweiten Stufe (Bl. 149 d. A.).

Nach mehrfacher Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung fand dieser schließlich am 19.10.2017 statt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärte der Beklagtenvertreter, er lehne den Vorsitzenden der Kammer wegen Befangenheit ab. Dieser Antrag, nicht jedoch seine Begründung, wurde zu Protokoll genommen.

Das Protokoll der mündlichen Verhandlung hat u.a. folgenden, wörtlich zitierten Inhalt:

"Beklagtenvertreter erklärt, er lehne den Vorsitzenden der Kammer wegen Befangenheit ab.

Auf Bitten des Vorsitzenden, dies schriftlich zu begründen, weil der Vorsitzende nicht die Sekretärin des Beklagtenvertreters ist und seine Begründung nicht ins Protokoll diktieren wird.

Beklagtenvertreter weigert sich, binnen der vom Vorsitzenden gesetzten Frist von 15 Minuten, einen schriftlichen Befangenheitsantrag vorzulegen.

Beklagtenvertreter beantragt, irgendwelche Formulierungen ins Protokoll zu diktieren, er möge dies letztendlich selber machen.

Der Vorsitzende weist darauf hin, dass die Verhandlungsführung in einem deutschen Zivilgericht immer noch der Vorsitzende der Kammer hat und nicht die Anwälte.

Der Beklagtenvertreter benimmt sich zunehmend ungebührlich, unterbricht den Vorsitzenden in einer Tour und will, dass er unbedingt das protokolliert, was er zu Protokoll geben will.

Beklagtenvertreter beantragt um 13.36 Uhr eine Frist zur schriftlichen Begründung des Befangenheitsantrags bis 14.00 Uhr.

Der Vorsitzende erklärt, dass dies nicht möglich ist, weil um 14.00 Uhr bereits die nächste Sitzung beginnt und der Vorsitzende hier schon wieder am Richtertisch sitzen muss. Es müssen nach der Vorlage der schriftlichen Begründung des Befangenheitsantrags noch Erklärungen zu Protokoll genommen werden.

Beklagtenvertreter erhält Frist zur schriftlichen Begründung seines Befangenheitsantrags bis 13.55 Uhr.

Die Sitzung wird sodann unterbrochen, Fortsetzung um 13.55 Uhr. ...

Rechtsanwalt H. übergibt eine handschriftlich geschriebene Begründung für den Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden der 1. Zivilkammer. ...".

Mit Verfügung vom 20.10.2017 teilte der abgelehnte Richter mit, er vermöge die handschriftliche Begründung des Befangenheitsantrags nicht zu lesen; der Beklagtenvertreter möge eine Leseabschrift einreichen (Bl. 183 d. A.).

Mit Schriftsatz vom 24.10.2017 ergänzte der Beklagte seine Begründung des Befangenheitsgesuchs und legte sodann mit Schriftsatz vom 02.11.2017 die gewünschte Leseabschrift vor.

Der Beklagte begründet seinen Befangenheitsantrag im Wesentlichen wie folgt:

"Der Vorsitzende der Kammer habe in der mündlichen Verhandlung nicht über die Frage diskutieren wollen, ob der Antrag auf eidesstattliche Versicherung begründet sei oder nicht. Das Verhalten des Vorsitzenden und seine Ausführungen wiesen darauf hin, dass die Entscheidung schon gefallen sei, ohne dass mit dem Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung darüber dis...

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