Entscheidungsstichwort (Thema)

§ 1612b Abs. 5 BGB ist verfassungsgemäß

 

Leitsatz (amtlich)

Die Neufassung des § 1612b Abs. 5 BGB verstößt nicht gegen Art. 3, 6 GG.

 

Normenkette

BGB § 1612b Abs. 5

 

Verfahrensgang

AG Mühldorf a. Inn (Aktenzeichen 52 FH 229/00)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG – FamG – Mühldorf am Inn vom 30.5.2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Beschwerdewert beträgt 564 DM.

 

Gründe

1. Mit Beschluss vom 30.5.2001 hat das AG – FamG – Mühldorf auf den Antrag des Kreisjugendamts M. als Beistand der minderjährigen C.W., geboren 12.3.1994, die Urkunde des AG M. vom 12.4.1999 (UR-Nr. 249/1999) gem. § 655 ZPO dahin gehend abgeändert, dass auf den Unterhalt von 124 % des Regelbetrags Kindergeld für ein erstes Kind ab 1/01 in dieser Höhe nicht angerechnet wird, in welcher der titulierte Unterhalt 135 % des jeweiligen Regelbetrags unterschreitet.

Für den Antragsgegner hätte dies zur Folge, dass er statt bisher 400 DM (535 DM minus 135 DM) ab 1/01 447 DM (535 DM minus 88 DM) und ab 7/01 465 DM (551 DM minus 86 DM) monatlich an Unterhalt zu zahlen hat.

Der Antragsgegner wendet sich gegen den Beschluss. Er will festgestellt wissen, dass das Jugendamt nicht klagebefugt ist, er will die Aussetzung des Verfahrens und Vorlage ans BVerfG wegen Verfassungswidrigkeit des neuen § 1612b Abs. 5 BGB, zu der er umfangreich ausführt, und weiter die Durchführung des streitigen Verfahrens.

2. Mit seinen im Rahmen der gem. § 655 Abs. 5 ZPO statthaften sofortigen Beschwerde gebrachten Einwendungen gegen den Abänderungsbeschluss des FamG hat der Antragsgegner keinen Erfolg. Das FamG hat auf den in zulässiger Weise (§§ 53a ZPO, 1712, 1714 BGB) durch den Beistand der Antragstellerin gestellten Antrag hin den Unterhaltstitel des AG M. vom 12.4.1999 zutreffend im vereinfachten Verfahren gem. Art. 4 § 2 des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts (Unterhaltstitelanpassungsgesetz) i.V.m. § 655 Abs. 1 ZPO der seit 1.1.2001 geltenden Neuregelung der Kindergeldanrechnung gem. § 1612b Abs. 5 BGB angepasst.

Für eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 GG sieht der Senat mangels Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des jetzt geltenden § 1612b Abs. 5 BGB keinen Anlass; insbesondere scheiden bei zutreffender Betrachtung die allenfalls denkbaren Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG (und dem diesen entsprechenden Art. 8 EMRK) aus:

a) Die Vorschrift des § 1612b Abs. 5 BGB verstößt nicht deshalb gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil er Elternteile mit geringerem Einkommen anders behandelt als Elternteile mit höherem Einkommen und zudem innerhalb der Einkommensgruppe bis ca. 3.500 DM monatlich keinerlei Differenzierung zulässt. Zwar verbietet Art. 3 die willkürliche Gleichbehandlung unterschiedlich zu beurteilender Fälle; die Regelung hat aber – worauf die Gesetzesbegründung hinweist (BT-Drucks. 14/3781, 7 bis 8) – ihren sachlichen Grund in der vom BVerfG geforderten Wahrung des Existenzminimums des Kindes, das ohne § 1612b Abs. 5 BGB gefährdet wäre.

Der gleiche Gesichtspunkt rechtfertigt auch die Ungleichbehandlung des Barunterhaltspflichtigen ggü. dem betreuenden Elternteil beim Einsatz des Kindergeldes, wobei der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der Entscheidung des OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 1096 (1097), der sich der Senat anschließt, Bezug nimmt.

b) Den Gründen der oben genannten Entscheidung des OLG Düsseldorf folgt der Senat auch, soweit ein Verstoß gegen Art. 6 – Schutz der Ehe und Familie – wegen unangemessener Benachteiligung des barunterhaltspflichtigen Elternteils verneint wird, weil die stärkere Belastung des barunterhaltspflichtigen Elternteils unter Berücksichtigung der damit verbundenen Sicherung des Existenzminimums des Kindes i.E. jedenfalls nicht gegen das Übermaßverbot verstößt.

Betrachtet man exemplarisch die Folgen der Änderung beim Antragsgegner, so hält sich eine finanzielle Mehrbelastung trotz seiner umfangreichen Darlegungen in einem Rahmen, der weder sein natürliches Elternrecht gravierend beeinträchtigt, noch Nachteile für die Entwicklung des Kindes befürchten lassen muss.

c) Die vom Antragsgegner erstmalig im Beschwerdeverfahren beantragte Durchführung des streitigen Verfahrens gem. § 651 Abs. 1 S. 1 ZPO kommt im Rahmen des Verfahrens nach § 655 ZPO nicht in Betracht. Darin liegt auch kein Verstoß gegen die Rechtsweggarantie, weil dem Antragsgegner die Möglichkeit der Abänderungsklage gem. § 656 ZPO oder § 323 ZPO offen bleibt.

Kostenentscheidung: § 97 ZPO.

Beschwerdewert: § 17 Abs. 1 GKG; 447 DM – 400 DM = 47 DM; 47 DM × 12 = 564 DM.

Dr. Gerhardt RiOLG, Anders-Ludwig RiOLG, Melz RiOLG

 

Fundstellen

Haufe-Index 1108034

FamRZ 2002, 903

EzFamR aktuell 2002, 155

OLGR Düsseldorf 2002, 44

OLGR Frankfurt 2002, 44

OLGR Hamm 2002, 44

OLGR Köln 2002, 44

ZfJ 2002, 188

OLGR-BHS 2002, 44

OLGR-CBO...

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