Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlagung. Anfechtung. Motivirrtum

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ausschlagung der Erbschaft kann nicht deshalb angefochten werden, weil das mit ihr erstrebte Ziel - hier: Alleinerbenstellung der Ehefrau aufgrund gesetzlicher Erbfolge - wegen der Unwirksamkeit der Erklärung eines der Miterben nicht erreicht wird.

 

Normenkette

BGB § 119 Abs. 1, § 1955

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 08.04.2009; Aktenzeichen 16 T 3727/09)

AG München (Aktenzeichen 63 VI 15449/05)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des LG München I vom 8.4.2009 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 24.375 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Erblasser ist am 19.12.2005 im Alter von 65 Jahren verstorben. Eine letztwillige Verfügung ist nicht vorhanden. Der Erblasser war seit 1966 mit der Beteiligten zu 1 im gesetzlichen Güterstand verheiratet. Ihrem Sohn erteilte er seinen Familiennamen, nahm ihn jedoch nicht als Kind an. Eigene Kinder hatte er nicht. Der im März 2009 nachverstorbene Beteiligte zu 2 und die Beteiligte zu 3 sind Geschwister des Erblasses, die Beteiligten zu 4 und 5 sowie die Beteiligten zu 6 und 7 die Kinder von zwei vorverstorbenen Geschwistern. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus Bankguthaben, Wertpapieren und einem Hausgrundstück; der Reinnachlasswert beträgt rund 104.000 EUR.

Am 23.3.2006 schlugen die Beteiligten zu 2, 3, 4, 5 und 7 sowie einer der Söhne des Beteiligten zu 2 nach Belehrung über "die Wirkung und die Unwiderruflichkeit der Erb-schaftsausschlagung" zur Niederschrift des Nachlassgerichts die Erbschaft aus. Mit Ausnahme des Beteiligten zu 2 erklärten sie ferner, keine Kinder zu haben. Der Beteiligte zu 6 schlug mit notarieller Erklärung vom 24.2.2006 die Erbschaft für sich und gemeinsam mit seiner Ehefrau auch für seine beiden minderjährigen Kinder aus. Die beiden anderen Söhne des Beteiligten zu 2 erklärten am 2.3.2006 (zugleich durch beide gesetzlichen Vertreter auch für die minderjährige Tochter) bzw. am 6.3.2006 die Ausschlagung.

Am 8.3.2006 wurde der Beteiligten zu 1 antragsgemäß ein Erbschein als Alleinerbin erteilt. Dieser wurde im Oktober 2008 eingezogen, nachdem die zwischenzeitlich an Stelle der Beteiligten zu 1 bestellten Betreuer des Beteiligten zu 2 (einer seiner Söhne sowie dessen Ehefrau) auf dessen Geschäftsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Ausschlagungserklärung hingewiesen hatten. Im Rahmen des im Oktober 2005 eingeleiteten Betreuungsverfahrens war durch das ärztliche Gutachten vom 28.3.2006 aufgrund der Untersuchung am 3.2.2006 festgestellt worden, der Beteiligte zu 2 sei nicht mehr geschäftsfähig.

Mit gleichlautenden Schreiben jeweils vom 10.10.2008 an das Nachlassgericht erklärten die Beteiligten zu 3 bis 7 jeweils: "Wie ich soeben von (der Beteiligten zu 1) erfahren habe, soll Ergebnis meines Verzichts auf das Erbe ... nun sein, dass der Verzicht (dem Beteiligten zu 2) zuwächst, weil die Wirksamkeit seines Verzichts nicht gegeben sein soll. Absicht meines Verzichts war, dass mein Anteil (der Beteiligten zu 1) zufließt. Dies war auch Absicht der übrigen Erben, die verzichtet haben. Wenn dieser Effekt nun nicht mehr erzielbar sein sollte, fechte ich hiermit meine Verzichtserklärung wegen Irrtums an." Nach Hinweis auf die erforderliche Form fochten die Beteiligten zu 3, 4, 5 und 7 am 21.11.2008 zur Niederschrift des Nachlassgerichts ihre Ausschlagungserklärungen an, der Beteiligte zu 6 am 26.11.2008 mit notarieller Urkunde. Zur Begründung führten sie aus, nicht gewusst zu haben, dass hinsichtlich des Beteiligten zu 2 ein Gutachten zur Anordnung einer Betreuung erstellt und dessen Geschäftsunfähigkeit festgestellt worden sei.

Die Beteiligte zu 1 beantragte am 23.10.2008 einen Erbschein, der sie und die Beteiligten zu 2 bis 7 als Miterben aufgrund gesetzlicher Erbfolge ausweist. Diesen Antrag wies das Nachlassgericht mit Beschluss vom 11.2.2009 zurück. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 blieb erfolglos. Gegen die Entscheidung des LG vom 8.4.2009 richtet sich ihre weitere Beschwerde, mit der sie insbesondere geltend macht, den Ausschlagungserklärungen sei in Verbindung mit den Anfechtungserklärungen deutlich die Absicht sämtlicher Beteiligter zu entnehmen, auszuschlagen, um die Erbschaft in ihrer Person zu konzentrieren. Es sei demnach von einem beachtlichen Inhaltsirrtum auszugehen.

II. Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt:

Das AG habe zu Recht den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Die Beteiligten zu 3 bis 7 sowie - soweit vorhanden - deren Abkömmlinge hätten wirksam die Ausschlagung der Erbschaft erklärt. Die Ausschlagungserklärung des Beteiligten zu 2 sei unwirksam, denn aus dem Gutachten vom 28.3.2006 ergebe sich, dass dieser geschäftsunfähig gewesen sei. Die form- und fristgerechten Anfechtungen der Ausschlagungserklärungen der Beteiligten zu 3 bis 7 führten nicht zum Erfolg, denn es liege kein zur Anfechtung ...

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