Entscheidungsstichwort (Thema)

Diesel-Abgasskandal: Kein Anspruch auf Nacherfüllung durch Lieferung eines aliud

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Käufer eines vom Diesel - Abgasskandal betroffenen PKWs hat keinen Anspruch auf Nacherfüllung durch Lieferung eines fabrikneuen, typengleichen Ersatzfahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion eines Herstellers, wenn dieses aufgrund eines zwischenzeitlichen Modellwechsels einhergehend mit wesentlichen technischen Änderungen (hier: leistungsstärkere Motorisierung, Zertifizierung für eine höhere Abgasnorm, Einsatz eines sog. Modularen Querbaukastens) nicht mehr als gleichartig und gleichwertig zum Kaufgegenstand, mithin als aliud anzusehen ist.

2. Zur Feststellung der Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit von ursprünglichem Kaufgegenstand und dem im Wege der Nacherfüllung begehrten Gegenstand kann auf der Grundlage substantiierten Parteivortrages zur Vermeidung unnötiger Beweisaufnahmen auf allgemein einfach zugängliche, zuverlässige Quellen, wie z.B. Wikipedia, zurückgegriffen werden, so dass sich etwaige Abweichungen als offenkundig im Sinn von § 291 ZPO erweisen können.

3. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage bedarf es auch deshalb nicht, weil es sich bei der Frage, ob der Klagegegenstand vom Anspruch auf Nachlieferung umfasst ist, um eine Rechtsfrage handelt, die dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich ist.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, § 243 Abs. 1, § 275 Abs. 1, §§ 311, 433-434, 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1; ZPO § 138 Abs. 3, § 291

 

Verfahrensgang

LG Passau (Beschluss vom 20.04.2017; Aktenzeichen 4 O 298/16)

 

Tenor

1. Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Passau vom 20.04.2017, Az. 4 O 298/16, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 17.08.2018.

3. Innerhalb dieser Frist können sich die Parteien auch zum Streitwert äußern, den der Senat beabsichtigt auf bis zu 35.000 EUR festzusetzen.

 

Gründe

Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor.

I. Berufungsrelevanter Sach- und Streitstand

Die Parteien streiten um die Nacherfüllung eines Kaufvertrages über einen fabrikneuen Audi A 3 Sportback 2.0 TDI quattro, 103 kW /140 PS, den der Kläger am 19.03.2012 bei der Beklagten, einem Vertragshändler der Audi AG, mit umfangreicher Sonderausstattung zu einem Preis von 39.240 Euro bestellt hatte (Anlage K 1). Dem Kaufvertrag wurden sog. Neuwagen - Verkaufsbedingungen zugrunde gelegt, wo in Ziff. IV. 6. S. 1 bestimmt ist: "Konstruktions- oder Formänderungen, Abweichungen im Farbton sowie Änderungen des Lieferumfangs seitens des Herstellers bleiben während der Lieferzeit vorbehalten, sofern die Änderungen ober Abweichungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind." In dem am 28.06.2012 ausgelieferten PKW ist ein Dieselmotor des Herstellers VW AG aus der Motorbaureihe EA189 verbaut, der für die Abgasnorm Euro 5 zertifiziert und werkseitig mit einer Steuersoftware ausgestattet ist, die zwischen Testbetrieb (sog. NEFZ - Test = Neuer europäischer Fahrzyklus) und normalen Fahrbetrieb unterscheidet. Außerhalb des Testbetriebs werden die Schadstoffgrenzwerte für die Abgasnorm 5 nicht eingehalten. Vor diesem Hintergrund begehrt der Kläger von der Beklagten erstinstanzlich u.a. Nachlieferung eines "mangelfreien fabrikneuen typengleichen Ersatzfahrzeuges aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug Audi A 3, FIN: WAUZZZ8P3CA164082 Zug um Zug gegen Rückübereignung" des gekauften Fahrzeugs.

Der kaufvertragsgegenständliche Audi A 3 wird unstreitig nicht mehr hergestellt. In der aktuellen Serienproduktion ist - abgesehen von der Änderung der Software - ein Motor verbaut, der mit der Abgasnorm EURO 6 zertifiziert und mit 110 kW (150 PS) leistungsstärker ist.

Die Beklagte hat den Einwand der Unmöglichkeit der Nachlieferung erhoben und unter Antritt von Zeugen-, Sachverständigen - und Urkundenbeweis sowie Vorlage von Lichtbildern erstinstanzlich mit Schriftsätzen vom 16.01.2017, S. 31 ff. (Bl. 329 ff.) und vom 09.03.2017, S. 3 ff. (Bl. 376 ff.) - und erneut in der Berufungserwiderung vom 30.10.2017, S. 13 ff. (Bl. 591 ff.) - vorgetragen, dass das kaufvertragsgegenständliche Fahrzeug der sog. zweiten Modellgeneration angehöre, die seit Oktober 2012 nicht mehr hergestellt werde. Dieses unterscheide sich grundlegend von den Fahrzeugen aus der aktuellen Serienproduktion nicht nur hinsichtlich des Motortyps, der Motorleistungen und der Ausstattung mit der Euro - 6 - Typengenehmigung, sondern auch hinsichtlich der Baureihe (3. Modellgeneration), des Typs (internen Typenbezeichnung 8V statt 8P), der Karosserie, des erstmals dort eingesetzten sog. Modularen Querbaukastens und sonstigen technischen Weiterentwicklungen. Es handele sich bei der aktuellen Modellgeneration des Audi A 3 u...

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