Leitsatz (amtlich)

Wer im Wege der Leistungsklage die Kosten einer noch nicht durchgeführten zahnärztlichen Behandlung als Schadenersatz fordert, muss seine Behandlungsabsicht behaupten und ggf. nachweisen. Ob die Behauptung glaubhaft ist, kann das Gericht anhand von Indizien (z.B. Art der Gesundheitsbeeinträchtigung, bisherige Maßnahmen des Geschädigten) beurteilen (Anschluss an BGH v. 14.1.1986 - VI ZR 48/85, MDR 1986, 486 = NJW 1986, 1538).

Im Honorarprozess des Zahnarztes kann der Patient nicht nach den §§ 280, 249 BGB mit den Kosten eines Privatgutachtens aufrechnen, wenn er keine Absicht hat, die Mängel der zahnärztlichen Leistung zu beheben.

Der Senat lässt offen, ob dies auch im Falle einer völlig unbrauchbaren Leistung des Zahnarztes gilt.

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 12.08.2005; Aktenzeichen 10 O 12284/04)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG München I vom 12.8.2005 - 10 O 12284/04, wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.404,90 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger, ein Zahnarzt, fordert vom Beklagten rechnerisch unstreitiges Honorar i.H.v. 11.784,25 EUR für prothetische Leistungen, die der Beklagte teilweise für mangelhaft hält.

Der Beklagte hat behauptet, die Kosten für die - unstreitig bisher nicht durchgeführte - erforderliche Nachbehandlung würden 7.569,40 EUR betragen. Mit diesem Betrag und dem Honorar für ein während des Rechtsstreits von dem Zahnarzt Dr. W. erstattetes Privatgutachten i.H.v. 835,50 EUR hat der Beklagte gegen die Honorarforderung aufgerechnet.

Der Kläger hat das Vorliegen von Mängeln bestritten. Er bringt vor, der Beklagte wolle die von seiner Krankenversicherung bereits erhaltene Erstattung für sich behalten.

Das LG München I hat mit Endurteil vom 12.8.2005 der Zahlungsklage stattgegeben und das Bestehen der Gegenansprüche des Beklagten verneint. Es hat ausgeführt, weder sei die Leistung des Klägers völlig unbrauchbar, noch könne mit den Kosten einer künftigen Heilbehandlung aufgerechnet werden, da diese nicht planbar seien.

Der Beklagte hat gegen das Urteil in Höhe der von ihm geltend gemachten Gegenansprüche i.H.v. 8.404,90 EUR Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 21.12.2005 begründet. Zum Hinweis des Senats vom 27.12.2005, dass er eine Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO beabsichtige, hat der Beklagte mit einem weiteren Schriftsatz vom 23.1.2006 Stellung genommen.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung.

II. Die Berufung des Beklagten ist gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsvorbringen vermag das etwas knapp und ohne Rechtsprechungsnachweise formulierte, i.E. aber zutreffende Urteil des LG nicht zu entkräften.

Der Honoraranspruch des Klägers ist nicht durch Aufrechnung mit den behaupteten Schadenersatzansprüchen teilweise erloschen. Ein Zurückbehaltungsrecht steht dem Beklagten ebenfalls nicht zu.

1. Nach der herrschenden Meinung hat der Zahnarzt keinen Honoraranspruch nach § 611 BGB, wenn seine Leistung völlig unbrauchbar ist (Übersicht bei OLG Zweibrücken MedR 2002, 201 [202]). In diesem Fall kann der Patient nach § 280 BGB beziehungsweise nach altem Recht wegen positiver Forderungsverletzung Rückzahlung verlangen, wenn er die Rechnung schon bezahlt hat (nach OLG Oldenburg v. 5.9.1995 - 5 U 75/95, MDR 1996, 155 = OLGReport Oldenburg 1996, 5 gem. § 812 BGB). Ungeklärt ist, ob es im Honorarrechtsstreit, also wenn der Zahnarzt klagt, einer eindeutigen Aufrechnungserklärung des Patienten mit einem Gegenanspruch bedarf.

Begründen lässt sich diese Rechtsprechung damit, dass die Höhe des Honorars bei völliger Unbrauchbarkeit der Leistung den (geschätzten) Mindestschaden des Patienten darstellt.

Die veröffentlichten Entscheidungen des Senats (OLG München v. 12.6.1997 - 1 U 1704/97, OLGReport München 1998, 247; v. 6.2.1997 - 1 U 4802/95, OLGReport München 1998, 306 f.; OLGReport München 2000, 76 f.) bemühen sich um eine dogmatische Präzisierung. Denkbar ist entweder eine ausdrückliche Aufrechnungserklärung oder die Anwendung des Grundsatzes der unzulässigen Rechtsausübung ("dolo petit"). Eine Entscheidung des BGH zu dieser Frage liegt, soweit ersichtlich, noch nicht vor. Das verschiedentlich als Beleg zitierte Urteil BGH NJW 1978, 814 betrifft die Mängel einer Schotteraufbereitungsanlage und die Reichweite von § 635 BGB a.F., also gerade keinen Dienstvertrag.

Ein gewisser Wertungswiderspruch der angeführten Rechtsprechung zum unten näher erörterten Rechtssatz, dass ein Ersatz fiktiver Heilbehandlungskosten nicht erfolgt, ist in den Fällen erkennbar, in denen der Patient eine aus zahnmedizinischer Sicht völlig unbrauchbare Versorgung nicht austauscht.

2. Im konkreten Fall besteht wegen der behaupteten Mängel der Versorgung weder eine Aufrechnungsmöglichkeit des Beklagten, noch steht ihm ein Zurückbehaltungsrecht zu.

a) Nach dem vom Beklagten vorgelegten Priva...

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