Leitsatz (amtlich)

Ist in einem Falle des § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG fälschlicherweise Berufung beim LG eingelegt und dort bereits in der Sache verhandelt worden und verweist das LG dann die Sache von Amts wegen in der Spruchfrist an das OLG, so entbindet dies das OLG nicht davon, die Zulässigkeit der Berufung zu prüfen und sie ggf. zu verneinen.

Der Umstand, dass die Klageschrift einer ständig im Ausland wohnenden Partei im Inland anlässlich eines Besuches zulässigerweise zugestellt werden konnte, begründet noch keinen Wohnsitz dieser Partei im Inland.

 

Normenkette

GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1b

 

Verfahrensgang

AG Bergisch Gladbach (Aktenzeichen 68 C 382/01)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 25.1.2002 verkündete Urteil des AG Bergisch Gladbach – 68 C 382/01 – wird als unzulässig verworfen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 230 Euro abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Kläger verlangen nach Beendigung eines Wohnraummietverhältnisses von dem Beklagten als Vermieter die Rückzahlung einer von ihnen geleisteten Kaution i.H.v. restlichen 894,76 Euro nebst Zinsen.

Das AG Bergisch Gladbach hat die Klage unter Aufhebung eines zuvor gegen den Beklagten erlassenen Versäumnisurteils mit Urt. v. 25.1.2002, auf dessen tatsächlichen Feststellungen verwiesen wird, abgewiesen. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 7.2.2002 zugestellt worden. Hiergegen haben die Kläger mit einem an das LG Köln gerichteten Schriftsatz, der bei diesem per Fax am 5.3.2002 eingegangen ist, Berufung eingelegt und diese sogleich begründet. Nachdem auch das Original der Berufungsschrift nebst Begründung am 7.3.2002 eingegangen war, hat die Geschäftsstelle am 12.3.2002 die Zustellung der Rechtsmittelschrift an die Prozessbevollmächtigten der Kläger verfügt und am 16.3.2002 die Akten beim AG angefordert. Mit Verfügung vom 16.4.2002 hat der Vorsitzende der 10. Zivilkammer die Parteien darauf hingewiesen, dass nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil der Beklagte seinen Wohnsitz in Südkorea habe und deshalb die Zuständigkeit des OLG Köln für das Berufungsverfahren nach § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG in Betracht komme. Auf die mündliche Verhandlung vom 8.5.2002 hat sich das LG sodann mit am 19.6.2002 verkündeten Beschluss, auf dessen Inhalt verwiesen wird, für unzuständig erklärt und das Verfahren an das OLG Köln als Berufungsgericht verwiesen. Die Akten liegen dem OLG seit dem 7.8.2002 vor.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Kläger ist verspätet eingelegt. Sie ist nach Ablauf der Berufungsfrist (§ 517 ZPO) beim OLG eingegangen und deshalb gem. § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Das LG hat in dem Verweisungsbeschluss zutreffend ausgeführt, dass es sich um eine Sache handelt, bei der gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG die Berufungszuständigkeit des OLG besteht, da der Beklagte im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz seinen allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hatte. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird zur Begründung auf die Ausführungen des LG bezug genommen. Entgegen der Auffassung des LG greift zugunsten der Kläger nicht der Meistbegünstigungsgrundsatz ein. Dieser Grundsatz ist nur dann anzuwenden, wenn für den Rechtsmittelführer eine Unsicherheit besteht, welches Rechtsmittel er wo einlegen soll, die auf einem Fehler oder einer Unklarheit der Entscheidung beruht, die angefochten werden soll (vgl. BGH v. 21.10.1993 – V ZB 45/93, MDR 1994, 509 = WM 1994, 180). Auch das AG hat aber in der angefochtenen Entscheidung eindeutig ausgeführt, dass der Beklagte unstreitig seinen Lebensmittelpunkt in „Südkorea” habe. Dies ist für die Frage des Wohnsitzes i.S.d. §§ 13 ZPO, 7 BGB von maßgebender Bedeutung. Soweit im Rahmen der Begründung der Kostenentscheidung des AG zu lesen ist, dass der Beklagte nach seinem eigenen Vortrag im Zeitpunkt der Zustellung der Klage (24.8.2001) „noch Wohnung unter der Anschrift F. 4” genommen habe und deshalb die Zustellung durch Niederlegung wirksam sei, liegt insoweit eine offenbare Unrichtigkeit vor, als die vom Beklagten im Verfahren vorgelegte Aufenthaltsbescheinigung, die Meldung unter der genannten Anschrift als Nebenwohnung lediglich für die Zeit vom 30.5.2000 bis 13.8.2001 beinhaltet. Hinzu kommt, dass der Begriff der „Wohnung” i.S.d. Zustellungsvorschriften nicht mit dem Begriff des „Wohnsitzes” i.S.d. Zuständigkeitsvorschriften übereinstimmt. Für die Zustellung sind die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend, der Aufenthalt kann durchaus ein vorübergehender sein. Unwesentlich ist hierfür, ob sich in den Räumen auch der Wohnsitz befindet, d.h. der räumliche Mittelpunkt der gesamten Verhältnisse, dessen Begründung durch die tatsächliche Niederlassung geschieht, verbunden mit dem Willen, den Ort zum ständigen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen.

Das angefochtene Urteil lässt eine De...

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