Leitsatz (amtlich)

1. Zwar können in schwerwiegenden Verfehlungen, wie z.B. der ungerechtfertigten Vereinnahmung von Geldbeträgen, der unzulässigen Erteilung einer Pensionszusage zu eigenen Gunsten, dem Abschluss einer diesbezüglichen Rückdeckungsversicherung und der Veranlassung entsprechender Zahlungen sowie der eigenmächtigen Vergabe eines Darlehens ebenfalls zu eigenen Gunsten, wichtige Gründe liegen, die eine beschlossene Zwangseinziehung gem. § 34 GmbHG rechtfertigen. Jedoch sind im Rahmen der anzustellenden Abwägung stets die Umstände des zu entscheidenden Einzelfalles maßgebend.

2. Vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes setzt die Zwangsein-ziehung eines Geschäftsanteils als ultima ratio regelmäßig voraus, das den im Hin-blick auf die Verfehlungen des betroffenen Gesellschafters in der Vergangenheit zu befürchtenden Pflichtverletzungen in der Zukunft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen hinreichend wirksam entgegengewirkt werden kann.

3. Als mildere Maßnahme kommt hinsichtlich solcher Verfehlungen, in denen ein Missbrauch von Geschäftsführungsbefugnissen liegt, u.U. eine Abberufung des betroffenen Gesellschafters als Geschäftsführer gem. § 38 GmbHG in Betracht.

4. Selbst wenn eine Abberufung nicht hinsichtlich aller zu befürchtender Verfehlungen als Schutzmaßnahme ausreicht, setzt die Zwangseinziehung als ultima ratio weiter voraus, dass die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die zu befürchtenden Verfehlungen im Einzelfall nicht möglich, nicht zumutbar oder nicht hinreichend wirksam sein wird.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 25.09.2014; Aktenzeichen 86 O 37/14)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des LG Köln vom 25.9.2014 - teilweise abgeändert und insgesamt - wie folgt - neu gefasst:

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 7.3.2014 mit dem Inhalt: "Die Geschäftsanteile des Gesellschafters B. im Nennwert von Euro 62.000 sowie Euro 40.000 an der S-GmbH werden gem. § 12 Abs. 2 lit. cc des Gesellschaftsvertrages aus einem in seiner Person liegenden wichtigen Grund eingezogen. Der Gesellschafter W ... wird beauftragt, die Einziehung durchzuführen." wird für nichtig erklärt.

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 7.3.2014 mit dem Inhalt: "Die Aufstockung des Geschäftsanteils des Gesellschafters W. im Nennbetrag von Euro 98.000 um insgesamt Euro 102.000 auf 200.000." wird für nichtig erklärt.

Die weiter gehende Klage und die weiter gehende Berufung werden ab- bzw. zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 37 % zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt allerdings jeweils nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des jeweiligen Gegners durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.1. Die dem Senat aus einer Reihe von Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bekannten Parteien streiten in der hier vorliegenden Hauptsache um die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen über die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten, über die Kündigung des seiner Geschäftsführertätigkeit zugrunde liegenden Anstellungsverhältnisses, über die Einziehung seiner Geschäftsanteile, über die der Einziehung notwendig folgende Aufstockung des Geschäftsanteils des Gesellschafters W. sowie über die Bestellung des Gesellschafters W. zum Geschäftsführer.

Der im vorliegenden Verfahren als Geschäftsführer und Vertreter der Beklagten auftretende Herr W. war Gesellschafter der S-GmbH und hielt einen Geschäftsanteil i.H.v. 49 % des Stammkapitals. Der Kläger hielt zunächst lediglich einen Geschäftsanteil i.H.v. 20 % des Stammkapitals, und zwar treuhänderisch für seinen Vater, den Onkel des Gesellschafters W., der noch den übrigen Geschäftsanteil innehatte. Sowohl der Gesellschafter W. als auch der Kläger waren dabei als Geschäftsführer für die Beklagte tätig. Der Gesellschafter W. schied allerdings nach einer Kündigung vom 22.12.2010 mit Wirkung zum 30.6.2011 als Geschäftsführer aus. Dabei ist streitig, ob er einverständlich weiterhin für die Gesellschaft tätig war. In der folgenden Zeit scheiterten zunächst Verhandlungen über den Verkauf des Unternehmens der Gesellschaft an einen Finanzinvestor. Im Verlauf der gescheiterten Verhandlungen kam es zur Kündigung zweier Lebensversicherungen, die die Gesellschaft zur Absicherung zweier Pensionszusagen zugunsten der beiden Geschäftsführer geschlossen hatte. Dabei erhielt der Kläger einen geringeren Betrag als der Gesellschafter W.

Im Laufe des Jahres 2013 kam es zu einem Zerwürfnis zwischen dem Gesellschafter W. einerseits sowie dem Kläger und seinem Vater andererseits. Anlässlich einer Gesellschafterversammlung am 6.9.2013 wurde beschlossen, dass e...

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