Verfahrensgang

LG Aachen (Entscheidung vom 17.06.2011; Aktenzeichen 9 O 61/11)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 17. Juni 2011 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen 9 O 61/11 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten seit August 2004 eine fondsgebundene Lebensversicherung, die sie mit Schreiben vom 5. Juni 2009 kündigte. Die Beklagte zahlte der Klägerin einen Rückkaufswert in Höhe von 11.721,30 € aus. Mit Anwaltsschreiben vom 7. Oktober 2010 erklärte die Klägerin “den Widerspruch gem. § 5 a VVG a.F. bzw. nach § 8 VVG, bzw. den Widerruf nach § 355 BGB„. Mit der Klage verlangt die Klägerin die Rückerstattung der geleisteten Prämien in einer Gesamthöhe von 15.000,- € abzüglich Rückkaufswert (11.721,30 €) zuzüglich Verzinsung der Prämien (3.636,31 €) = 6.915,01 €.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei berechtigt gewesen, dem Vertragsschluss noch im Jahr 2010 gemäß § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. zu widersprechen. Sie hat behauptet, bei Antragstellung weder die Versicherungsbedingungen noch die Verbraucherinformationen erhalten zu haben; durch die von ihr unterzeichnete “Eingangsbestätigung„ (Anlage B 5) habe sie - so hat die Klägerin gemeint - den Empfang der Bedingungen und der Verbraucherinformationen mit Übersendung des Versicherungsscheins nicht rechtswirksam bestätigt. Sie sei auch nicht ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht aufgeklärt worden. Auf § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. könne die Beklagte sich nicht berufen, weil das in § 5 a VVG a.F. normierte Policenmodell gegen Art. 35 und Art. 36 i.V.m. Anhang III A. Richtlinie 2002/83/EG und gegen Art. 5 Satz 1 und Anhang Nr. 1 lit. i der Richtlinie 93/13 EWG verstoße (Bl. 5-20 d.A.).

Die Klägerin hat gegen die Beklagte ferner einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Klageforderung geltend gemacht, den sie darauf stützt, dass die Beklagte sie nicht über Rückvergütungen, die sie von den Fondsgesellschaften erhalte, in Kenntnis gesetzt habe. Sie hat die Auffassung vertreten, zur Aufklärung hierüber sei die Beklagte in Anwendung der “Kick-Back„-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verpflichtet gewesen.

Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.915,01 € nebst Zinsen in Höhe von 7% seit dem 22. Oktober 2010 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 1.303,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die Klägerin habe mit Übersendung des Versicherungsscheins die Versicherungsbedingungen und die erforderlichen Verbraucherinformationen erhalten. Über ihr Widerspruchsrecht sei sie ordnungsgemäß belehrt worden. § 5 a VVG a.F. sei europarechtskonform. Zu Schadenersatz sei sie nicht verpflichtet; die “Kick-Back„-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Bankprodukten sei auf die Vermittlung einer fondsgebundenen Lebensversicherung nicht übertragbar. Die Beklagte hat insoweit ferner die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. Juni 2011, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe ein Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht mehr zu; diese Bestimmung sei nicht europarechtswidrig. Der Klägerin stehe auch kein Schadensersatzanspruch zu; die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, über etwaige Kick-Back-Zahlungen der Fondsgesellschaften aufzuklären.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt; hilfsweise regt sie die Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an den EuGH nach Maßgabe der in der Berufungsbegründung vom 18. August 2011 unter Ziff. III der Anträge formulierten Fragen (Bl. 150/151 d.A.) an. Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, sie sei zum Widerspruch nach § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. berechtigt gewesen. Die Versicherungsbedingungen seien ihr nicht bekannt gemacht worden; die Empfangsquittung verstoße gegen § 309 Nr. 12 BGB. Ohnehin sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die Unterlagen schon bei Antragstellung zur Verfügung zu stellen. Die Widerspruchsbelehrung sei formal und inhaltlich fehlerhaft. Darüber hinaus wiederholt und vertieft die Klägerin ihre Ansicht zur Europarechtswidrigkeit des § 5 a VVG a.F.

Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefoch...

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