Entscheidungsstichwort (Thema)

Adblock Plus

 

Leitsatz (amtlich)

1. Angebot und Vertrieb von Browser-Plugins, deren Einsatz bewirkt, dass nach bestimmten Begriffen gefilterte Werbeinhalte dem ein Inhalteangebot Abrufenden nicht angezeigt werden, verstoßen nicht gegen das Verbot gezielter Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG, wenn der Abrufende selbst das Plugin in seinem Browser installiert hat.

2. Der Vertrieb von Internet-Werbefilter-Werkzeugen, die bei Internetangeboten von Marktteilnehmern die einem Inhalteanbieter zugelieferte Werbung blockieren, ist eine aggressive Praktik im Sinne des § 4a Abs. 2 Nr. 3 UWG, wenn die Blockade technisch vom Anbieter erst gelöst wird, wenn und soweit hierfür vom Werbewilligen eine Vergütung gezahlt wird.

 

Normenkette

UWG § 4 Nr. 4, § 4a Abs. 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 29.09.2015; Aktenzeichen 33 O 132/14)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 19.04.2018; Aktenzeichen I ZR 154/16)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Köln vom 29.9.2015 aufgehoben.

2. Den Beklagten wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern untersagt, ein Software-Programm einschließlich der "Easylist" und der "Easylist Germany" gegenüber Abrufen durch Nutzer von Internetdiensten in Deutschland anzubieten, zu bewerben, hinsichtlich bereits ausgelieferter Versionen zu pflegen oder zu vertreiben oder anbieten, bewerben, hinsichtlich bereits ausgelieferter Versionen pflegen oder vertreiben zu lassen - wie durch Adblock Plus geschehen - das Werbeinhalte auf den Seiten

www.bild.de

www.welt.de

(es folgt die Wiedergabe weiterer Internetadressen) einschließlich deren mobilen Anwendungen unterdrückt, wenn und soweit Werbung nur nach von den Beklagten vorgegebenen Kriterien und gegen Zahlung eines Entgelts der Klägerin nicht unterdrückt wird.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten allen Schaden zu ersetzen haben, der der Klägerin und ihren unter I.1. der Klageschrift genannten Tochtergesellschaften durch Handlungen gemäß Ziffer 2 seit 6 Monaten vor Rechtshängigkeit des Antrags unter 2. entstanden ist und noch entstehen wird.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 2/3 und die Klägerin zu 1/3.

6. Das Urteil für die Klägerin vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,- Euro, für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

7. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerinnen nehmen die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung von Schadensersatz und Auskunft in Anspruch. Sie wenden sich gegen die von der Beklagten zu 1) bereitgestellte Software, mit der Werbeinhalte auf Internetseiten, die stationär und mobil von Nutzer angewählt, blockiert werden.

Die Klägerin ist ein Verlagshaus, das seine Inhalte selbst und durch Tochtergesellschaften unter anderem auf Internetdiensten zur Verfügung stellt. Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 3) ist und der Beklagte zu 2) bis zum 17.12.2015 war, vertreibt das Softwareprogramm "AdBlock Plus" (ABP). ABP ist ein für alle gängigen Internet-Browser verbreitetes kostenloses Zusatzprogramm, das die Unterdrückung von Werbeinhalten auf Webseiten bewirkt. ABP ergänzt den Programmcode des vom Anwender genutzten Browsers dahingehend, dass werbebezogene Informationen von den Servern der Inhalteanbieter nicht mehr beim Nutzer angezeigt werden. Typischerweise werden Inhalteangebote vom Content-Server der Klägerin abgerufen, Werbeinhalte auch von Ad-Servern ausgespielt, die vom Content-Server unabhängig sind und Internetadressen haben, die sie als Ad-Server erkennbar machen. In den Browserfenstern werden Informationen und Werbeinhalte als einheitliches Webseitenangebot dargestellt. ABP beeinflusst den Zugriff des Browsers auf der Nutzerseite dahingehend, dass nur noch Dateien von den Content-Servern, nicht dagegen Dateien von den Ad-Servern angezeigt werden.

ABP berücksichtigt eine Sammlung von Filterregeln im Sinne einer Blacklist. Der in Deutschland beheimatete Nutzer, der ABP als Zusatzprogramm einsetzt, nutzt standardmäßig eine internationale und eine deutsche Filterliste ("Easylist" bzw. "Easylist Germany"). Diese sog. Blacklists enthalten Serverpfade bestimmter Onlineanbieter, die herausgefiltert werden, darunter auch solche, welche die Klägerin oder ihre Konzerngesellschaften betreffen. Zudem enthalten die Listen Dateimerkmale, mit denen Werbeinhalte aufgrund von Gemeinsamkeiten im Pfad- und Dateinamen blockiert werden können. Inhalte von den in den Filterregeln erfassten Werbeanbietern werden beim Aufrufen einer Internetseite im Ergebnis blockiert. Auf der Blacklist sind zudem Suchkriterien definiert, die nach den für Werbung typischen Begriffen im Link zu dem jeweiligen Dateiordner oder -namen suchen. Grafiken, abe...

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