Entscheidungsstichwort (Thema)

"Erkältungssaft für die Nacht": Grenzen der Erinnerungswerbung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Werbung für Arzneimittel verlässt den Bereich der Erinnerungswerbung - § 4 Abs. 6 HWG, wenn sie eine Produktverpackung abbildet, die über die vollständige Bezeichnung des Mittels hinaus augenfällig in Text und Bild auf die Anwendungsgebiete (hier: die einzelnen zu behandeln Erkältungsbeschwerden) hinweist, die der Bezeichnung so detailliert nicht zu entnehmen sind.

 

Normenkette

HWG § 4 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 6; UWG § 4 Nr. 11; AMWarnV § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a, § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 04.03.2008; Aktenzeichen 41 O 12/08)

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 4.3.2008 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Aachen - 41 O 12/08 - wird zurückgewiesen, soweit der Antragsteller den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht zurückgenommen hat. Im Hinblick auf die Teilrücknahme wird das Urteil klarstellend wie folgt neu gefasst:

Der Beklagten wird es durch einstweilige Verfügung bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber dem Publikumsverkehr für das Arzneimittel "X." zu werben, ohne den Warnhinweis "Enthält 18 Vol.- % Alkohol; Packungsbeilage beachten!" zu nennen, wenn dies geschieht wie in dem als Anlage 4 zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vorgelegten farbigen Flyer mit der nachfolgend - abweichend vom Original in Schwarz-Weiß-Kopie - wiedergegebenen Rückseite:

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Antragsteller 5/6 und die Antragsgegnerin 1/6 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen zu 4/5 dem Antragsteller und zu 1/5 der Antragsgegnerin zur Last.

 

Gründe

I. Die Parteien - Inhaber konkurrierender Apotheken in E. - streiten um die heilmittelwerberechtliche Zulässigkeit einer Flyer-Werbung der Antragsgegnerin, die (verbilligt angebotene, nicht verschreibungspflichtige) Arzneimittel in ihrer Umverpackung abbildet. Die vom Antragsteller vermissten Pflichtangaben hält die Antragsgegnerin für entbehrlich, weil es sich um eine Erinnerungswerbung handele. Mit dem angefochtenen Urteil hat das LG in fünf von sechs Punkten einen Wettbewerbsverstoß bejaht und die beantragte einstweilige Verfügung erlassen. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung über die dagegen gerichtete Berufung der Antragsgegnerin hat der Antragsteller schriftsätzlich erklärt, dass er seinen Antrag in vier Punkten (die zwei andere Arzneimittel betrafen) zurücknehme.

II. Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin bleibt - in dem nur noch zur Entscheidung stehenden Umfang - in der Sache ohne Erfolg.

1. Mit den Teilen des Verfügungsantrags, deren Rücknahme der Antragsteller innerhalb der Spruchfrist erklärt hat, braucht sich der Senat - trotz verweigerter Zustimmung der Antragsgegnerin - nicht zu befassen, denn nach herrschender, vom Senat geteilter Auffassung ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine (zur Wirkungslosigkeit bereits erlassener Entscheidungen und zum Dringlichkeitsverlust führende) Rücknahme des Antrags jederzeit auch ohne Mitwirkung des Gegners bis zum rechtskräftigen Verfahrensabschluss möglich, § 269 Abs. 1 ZPO also nicht anzuwenden (Beyerlein, WRP 2005, 1463 [1466]; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl., § 12 UWG Rz. 3.6; Gloy/Loschelder/Spätgens, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 3. Aufl., § 97 Rz. 91 m.w.N.; a.A. Ahrens/Jestaedt, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 49 Rz. 13; den dort betonten gegnerischen Anspruch auf eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO bejaht auch die h.M.).

2. In Bezug auf die hiernach allein noch streitgegenständliche Beanstandung der Werbung für das Arzneimittel "X." ist die Berufung unbegründet. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat Bezug nimmt, hat das LG den vom Antragsteller insoweit geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG, § 4 Abs. 1 Nr. 7 HWG, §§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a, 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 AMWarnV bejaht. Das Berufungsvorbringen der Antragsgegnerin rechtfertigt keine andere Beurteilung.

a) Unstreitig liegt eine Arzneimittelwerbung vor, die unter das Pflichtangabengebot des § 4 HWG fällt, wenn nicht eine Erinnerungswerbung gemäß dem Erlaubnistatbestand des § 4 Abs. 6 HWG vorliegt.

Soweit die Berufung die Angabepflicht durch eine europarechtskonforme Auslegung der Vorschrift weiter eingeschränkt sieht, kann ihr nicht gefolgt werden. Der Europäische Gerichtshof hat klargestellt (GRUR 2008, 267 - Gintec/Verband Sozialer Wettbewerb [Tz. 20, 22]), dass die Richtlinie 2001/83/EG das Recht der Arzneimittelwerbung zwar vollständig harmonisiert, den Mitgliedsstaaten aber in Art. 89 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 einerseits Spielraum bei den geforderten Pfl...

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