Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 30.10.2015; Aktenzeichen 7 O 103/15)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Köln vom 30.10.2015 - 7 O 103/15 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter der H B GmbH (Insolvenzschuldnerin) die Zahlung von Mehrwertsteuer in Höhe von 554.154,20 EUR bezogen auf den Abrechnungszeitraum 2008 - 2011 für von der Insolvenzschuldnerin an die Beklagte als Bauträgerin auftragsgemäß erbrachter Bauleistungen.

Das LG hat durch Urteil vom 30.10.2015, auf das in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss des LG vom 20.11.2015 wegen des Sachverhaltes im Übrigen verwiesen wird, die Klage abgewiesen.

Hiergegen hat die Beklagte das Rechtsmittel der Berufung eingelegt und begründet. Sie rügt das Urteil als rechtsfehlerhaft. Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt seien die mit der Klage verfolgten Ansprüche gegeben, jedenfalls seien sie verjährt. Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 28.01.2016 (Bl. 132 - 134 GA) sowie auf die Schriftsätze der Beklagten nebst Anlage vom 13.04.2016 (Bl. 162 - 170 GA) und vom 04.07.2016 (Bl. 185 - 187 GA) verwiesen.

Die Beklagte beantragt, das am 30.10.2015 verkündete Urteil des LG Köln - 7 O 103/15 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er ist unter Verteidigung der angefochtenen Entscheidung der Berufung der Beklagten gemäß Berufungserwiderung vom 14.03.2016 (Bl. 149 - 158 GA), gemäß Schriftsatz vom 20.05.2016 (Bl. 171 - 176 GA) und gemäß Schriftsatz vom 01.07.2016 (Bl. 188 - 191 GA) entgegengetreten.

II. Die prozessual bedenkenfreie Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das LG angenommen, dass dem Kläger gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung der auf die Rechnungen für den Zeitraum 2008-2011 entfallenden Umsatzsteuer i.H.v. 554.154,20 EUR zusteht. Zutreffend hat das LG diesen Anspruch im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung unmittelbar aus den zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten geschlossenen, den Rechnungen zu Grunde liegenden Bauverträgen hergeleitet und die erhobene Einrede der Verjährung nicht durchgreifen lassen.

Der vertragsergänzenden Auslegung des LG ist beizutreten.

§ 157 BGB bildet die Rechtsgrundlage für eine Ergänzung des Vertragsinhaltes, soweit dieser in einem regelungsbedürftigen Punkt Lücken aufweist (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, vergleiche etwa BGHZ 9, 273, 278). Sinn der ergänzenden Vertragsauslegung ist, eine erforderliche und sachgerechte Regelung für die in einem Vertrag offen gebliebenen Punkte zu finden. Sie ist ein Akt richterlicher Vertragsgestaltung, nicht richterlicher Rechtsfortbildung (vergleiche C. Armbrüster in: Erman BGB, Kommentar, 14. Auflage 2014 § 157 Rn. 15 zitiert nach juris). Dabei hat die ergänzende Vertragsauslegung Vorrang vor den in § 313 BGB kodifizierten Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage (C. Armbrüster in: Erman aaO. Rdnr. 15). Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, auch wenn ein gemeinsamer Irrtum über steuerliche Folgen zu einer Anpassung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 2 BGB führen kann (vergleiche Grüneberg in: Palandt 75. Aufl. § 313 Rn. 38), dass das LG vorrangig eine ergänzende Vertragsauslegung prüft, dies im Übrigen in Übereinstimmung mit der herkömmlichen Rechtsprechung, die nicht § 313 BGB, sondern die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung anwendet, wenn die PBeien irrtümlich eine Umsatzsteuerpflicht angenommen haben oder umgekehrt fälschlich von der Umsatzsteuerfreiheit ausgegangen sind (vergleiche Grüneberg in Palandt 75. Aufl. § 313 Rn. 38).

Mit zutreffenden Erwägungen ist das LG von einer planwidrigen Unvollständigkeit der vertraglichen Regelungen ausgegangen.

Nur eine wirkliche Lücke des Vertrages darf im Wege der Auslegung ergänzt werden. Hieran fehlt es schon, wenn die Lücke durch dispositives Rechts ausgefüllt werden kann (vgl. Staudinger/Herbert Roth (2015) § 157 Rdnr. 23; C. Armbrüster in Erman aaO. Rdnr. 19). Wurde bewusst auf eine ins Einzelne gehende Regelung verzichtet oder war die Vereinbarung bewusst abschließend gemeint, ist gleichfalls eine ergänzende Vertragsauslegung nicht möglich (C. Armbrüster in Erman aaO. Rn. 16). Dabei ist festzuhalten, dass nicht jede fehlende Regelung eine ausfüllungsbedürftige Vertragslücke darstellt, vielmehr ist erforderlich, dass beide Parteien einen Punkt übersehen oder ihn bewusst offen gelassen haben, weil sie ihn bei Vertragsschluss irrig für nicht regelungsbedürftig hielten (C. Armbrüster in: Erman aaO. Rn. 16), wobei...

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