Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsscheinhaftung bei nichtiger Vollmacht des Geschäftsbesorgers im sog. Strukturvertrieb

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem Schutz des Vertragsgegners und des Rechtsverkehrs gebührt grundsätzlich Vorrang vor den Interessen des Vertretenen, der durch die Erteilung einer - unerkannt - nichtigen notariellen Vollmacht die Ursache für einen Rechtsschein gesetzt hat.

2. Der Vorlage einer Vollmacht (§ 172 Abs. 1 BGB) steht es gleich, wenn der Notar auf die ihm bei der Beurkundung in Ausfertigung vorliegende Vollmacht Bezug nimmt. Die darin liegende Beurkundung "sonstiger Tatsachen und Vorgänge" i.S.d. § 36 BeurkG begründet über den unmittelbaren Anwendungsbereich der §§ 171, 172 BGB hinaus eine Haftung des Vertretenen aus zurechenbar veranlasstem Rechtsschein.

3. Ein Verstoß des Geschäftsbesorgers gegen Art. 1 § 1 RBerG führt nicht unmittelbar zur Nichtigkeit der von ihm als Vertreter abgeschlossenen Verträge, durch die die unerlaubte Rechtsbesorgung nicht gefördert wird. Die Zusammenarbeit zwischen Geschäftsbesorger und Veräußerer der Immobilie und die Kenntnis des Vertriebskonzepts reichen für die Annahme einer Beteiligung des Veräußerers an der unerlaubten Rechtsbesorgung nicht aus.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 19.12.2002; Aktenzeichen 2 O 336/01)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 17.06.2005; Aktenzeichen V ZR 78/04)

 

Tenor

Das Versäumnisurteil des Senats vom 1.10.2003 - 13 U 18/03 - wird aufrechterhalten.

Die Kläger haben auch die weiteren Kosten der Berufung sowie die zweitinstanzlichen Kosten der Nebenintervention zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Erwerbs einer Eigentumswohnung in der Wohnungseigentumsanlage L., E.-Straße, durch die Kläger. Mit notarieller Urkunde vom 6.4.1993 (Bl. 140 ff. GA - ohne die S. 2) boten die Kläger der T. Steuerberatungs-GmbH in Köln den Abschluss eines umfassenden Geschäftsbesorgungsvertrages zum Erwerb der Eigentumswohnung an und erteilten ihr in Ausführung des Geschäftsbesorgungsvertrages Vollmacht zur Vornahme aller Rechtsgeschäfte, Rechtshandlungen und Maßnahmen, die für den Eigentumserwerb und ggf. die Rückabwicklung erforderlich oder zweckmäßig erschienen. Unter anderem wurde die Geschäftsbesorgerin bevollmächtigt, namens und für Rechnung der Kläger den Grundstückskauf- und Werklieferungsvertrag zum Erwerb der noch bezugsfertig zu errichtenden Eigentumswohnung sowie die Darlehensverträge für die Finanzierung einschließlich aller erforderlichen Sicherungsverträge abzuschließen. Die Geschäftsbesorgerin nahm das Angebot an. Sie schloss am 21.6.1993 namens der Kläger mit der Beklagten einen notariellen Kauf- und Werklieferungsvertrag über die Eigentumswohnung ab (Bl. 162 ff. GA) und ließ auf diesem Objekt zur Sicherung der Finanzierung zugunsten der C. Hypo- und Vereinsbank (Streithelferin der Beklagten) eine Grundschuld eintragen (Bl. 1 ff. AnlH I).

Mit der Klage begehren die Kläger von der Beklagten die Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs dahin, dass anstelle der Kläger die Beklagte als Eigentümerin dieser Wohnung einzutragen sei. Sie haben geltend gemacht: Der Geschäftsbesorgungsvertrag und die in ihm enthaltene Vollmacht seien wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig. Dies führe zwangsläufig auch zur Nichtigkeit des mit Hilfe dieser Vollmacht abgeschlossenen Übertragungsgeschäfts. Ein schützenswertes Vertrauen sei der Beklagten nicht zuzubilligen, weil sich der Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz objektiv aus der Urkunde ergebe und die Beklagte zudem an der unerlaubten Rechtsberatung beteiligt gewesen sei.

Die Kläger haben beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs von L. Bl. ..1, Flur ..., Flurstück Nr. ..1, insofern zu erteilen, als nicht die Kläger, sondern die Beklagte als Eigentümerin dieser Wohnung einzutragen sei.

Die Beklagte und deren Streithelferin haben die Abweisung der Klage beantragt. Für den Fall, dass die Klage Erfolg habe, hat die Beklagte widerklagend beantragt,

1. festzustellen, dass die zur Kaufpreisfinanzierung zugunsten der C. Hypotheken- und Wechselbank AG N [jetzt: C. Hypo- und Vereinsbank] eingetragene Grundschuld i.H.v. 531.400 DM an dem Miteigentumsanteil von 16,32/1.000-stel des Grundstücks Gemarkung L. Flur ..., Flurstück ..1, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung nebst Kellerraum, im Aufteilungsplan bezeichnet mit Nr. 24, vorgetragen im Grundbuch von L., Bl. ..1, ebenfalls unwirksam ist, und die Kläger zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs von L., Bl. ..1, Flur ..., Flurstück ..1 insofern zu erteilen, dass die dort eingetragene Grundschuld ohne Brief zu 531.400 DM für die C. Hypotheken- und ...

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