Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Auslieferungshindernisses "ne bis in idem" bei Straftaten, die durch Umsatzsteuerkarusselle in mehreren EU-Staaten (hier : Belgien und die Niederlande) begangen und abgeurteilt worden sind.

 

Tenor

1. Die Auslieferung des niederländischen Staatsangehörigen H Q nach Belgien zur Vollstreckung wegen der in dem Europäischen Haftbefehl des Appelationshofs Antwerpen, Berufungsgericht vom 17.3.2008 (Az. 47 P 2004) enthaltenen Verurteilung durch die 9. Kammer das Berufungsgericht in Antwerpen vom 28.6.2007 (Az. 47 P 2004, Kanzleinummer 1301/2007) wird für zulässig erklärt.

2. Die Fortdauer der Auslieferungshaft wird angeordnet.

 

Gründe

I.

Der Verfolgte ist aufgrund einer Ausschreibung der belgischen Behörden im Schengener Informationssystem - SIS - vom 31.3.2009 (SIDN: BC xxx001) am 6.8.2009 in Heinsberg festgenommen worden.

Gegen ihn liegt ein Europäischer Haftbefehl des Appellationshofs Antwerpen, Berufungsgericht vom 17.3.2008 (Az. 47 P 2004) vor - ausgestellt von Generalanwalt M. T -.

In dem Europäischen Haftbefehl ersuchen die belgischen Behörden um die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Vollstreckung des rechtkräftigen Urteils des Berufungsgerichts in Antwerpen - 9. Kammer - vom 28.6.2007 (Az. 47 P 2004, Kanzleinummer 1301/2007), durch das der Verfolgte zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt worden ist, von der noch 1814 Tage zu verbüßen sind.

Die Verurteilung ist - wie es wörtlich in dem Europäischen Haftbefehl heißt - wegen folgender Straftaten erfolgt:

"G J , Buchhalter M E, D S gemeinsam und unter

der Leitung von G M (der hierfür nicht verurteilt wurde)

organisierten im Zeitraum von Januar 1999 bis Dezember 2000 einen MwSt.-

Karussellbetrug.

Auch J L war dabei beteiligt, bei den Nichtanzeigenden.

Die Organisation kaufte direkt neue Mercedes-Benz-Wagen, die mit Bargeld

bezahlt wurden.

Auf Papier (Rechnungsfluss) lief von einer niederländischen Gesellschaft

K AUTOCAR zu einer luxemburgischen Gesellschaft N (P

C war deren Geschäftsführer zusammen mit D S,) die

weiterverkaufte an 15 (aufeinanderfolgende) belgische Gesellschaften =

Nichtanzeigende, die an die F (GmbH belgischen Rechts) K verkauft

(selbstverständlich verlustträchtig), die schließlich an Privatverkäufer faktuiert.

Der Kreis um die K war parallel zu einem organisierten MwSt.-

Karusselbetrug um die O Trading Marketing Group Belgium im Zeitraum vom 1.

März 1998 bis 1. Januar 2000.

Nach der Verhaftung von G wird der MwSt.-Betrug um die O R

V Belgium fortgesetzt. Der Betrug gilt jetzt brauner Ware (= Radio, TV, DVD,

…) und Rechnerteilen.

Die Ware wurde direkt bei einem deutschen Lieferanten W

eingekauft, der direkt an Belgien lieferte, unter anderem auf dem Platz

"X " in Antwerpen.

Die Fakturierung wurde von Q H organisiert. Sie lief über eine

luxemburgische Gesellschaft zu dem Nichtanzeigenden und anschließend zwei

Puffergesellschaften.

Er kontrollierte die Gesellschaften über Strohmänner, darunter Y VAN

Z und Ss D."

Der Verfolgte ist am 7.8.2009 von dem Amtsgericht Geilenkirchen zu dem Auslieferungsersuchen angehört worden. Er hat sich weder mit der Auslieferung im vereinfachten Verfahren eiO erstanden erklärt, noch hat er auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität verzichtet.

Der Senat hat durch Beschluss vom 14.8.2009 die Auslieferungshaft angeordnet.

Die Generalstaatsanwaltschaft Köln hat dem Senat die Akten nunmehr mit dem Antrag übersandt, die Auslieferung für zulässig zu erklären.

Der Verfolgte beantragt, die Auslieferung für unzulässig zu erklären und den Auslieferungshaftbefehl aufzuheben. Die Verurteilung sei unter Verletzung des Spezialitätsgrundsatzes ergangen. Außerdem stehe der Auslieferung der Grundsatz "ne bis in idem" entgegen, denn er sei wegen des identischen Tatkomplexes in den Niederlanden bereits zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 11 Monaten verurteilt worden.

II.

Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ist zu entsprechen. Die Auslieferung des Verfolgten ist zulässig. Auslieferungshindernisse bestehen nicht.

1.

Der Europäische Haftbefehl des Appellationshofs Antwerpen vom 17.3.2008 (Az. 47 P 2004) ist nach §§ 79 Abs. 1, 83 a Abs. 1 IRG als Auslieferungsersuchen einer zuständigen Stelle anzusehen.

Er enthält alle nach § 83 a Abs. 1 IRG notwendigen Angaben. Insbesondere sind die dem Verfolgten zur Last gelegten Taten nach Zeit und Ort unter Angabe der nach dem belgischen Recht einschlägigen Gesetzesbestimmungen hinreichend konkretisiert.

2.

Die dem Verfolgten zur Last gelegten Taten sind strafbar nach Art. 73 MWSt-Gesetzbuch, Art. 324 ter, 323, 505, 40, 65 und 66 des belgischen Strafgesetzbuchs. Auf die - ebenfalls gegebene - Strafbarkeit nach deutschem Recht kommt es gemäß § 81 Ziff. 4 IRG nicht an, weil die dem Ersuchen zu Grunde liegende Tat der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und der Geldwäsche in den Katalog gemäß Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13.6.2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren (Abl. EG Nr. L 190 S. 1) fällt.

4.

Die Voraussetzungen des § 81 Ab...

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