Leitsatz (amtlich)

Die grundsätzliche Beschränkung des Wertes auf 10 % des Grundkapitals steht einer vollständigen Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses der Parteien auch dann entgegen, wenn die Bedeutung der Sache für beide Parteien besonders hoch ist. In diesen Fällen kann aber eine Vervielfachung des sich nach der Beschränkung es Wertes auf 10% des Grundkapitals ergebenden Wertes gerechtfertigt sein.

 

Normenkette

AktG § 148; GKG § 53 Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 91 O 3/16)

 

Tenor

Die Gegenvorstellung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners zu 1) gegen die Wertfestsetzung wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Gegenstand des Verfahrens war ein Zulassungsantrag gemäß § 148 Abs. 1 AktG. Die Antragstellerin ist zu einem Drittel als Aktionärin am Grundkapital der Beigeladenen in Höhe von 75.000 EUR beteiligt. Sie beabsichtigte wegen angeblicher Schäden in einer Größenordnung von über 100 Mio. EUR die Antragsgegner auf Schadensersatz in Höhe von jeweils mindestens 100.000 EUR in Anspruch zu nehmen. Das Landgericht hat den Antrag abgewiesen. Diese Entscheidung hat der Senat durch Beschluss vom 19.10.2018 bestätigt. Darin wurde der Streitwert wie auch schon im landgerichtlichen Beschluss auf 200.000 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die aus eigenem Recht erhobene Gegenvorstellung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners zu 2), mit der die Anhebung des Wertes auf 30 Mio. EUR begehrt wird. Hierfür spreche, dass die Antragstellerin die Schäden auf über 100 Mio. EUR beziffert und diese erstinstanzlich einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag auf Zahlung von 2 Mio. EUR an die Beigeladene als zu niedrig zurückgewiesen habe.

II. Die aufgrund der Gegenvorstellung erfolgte Überprüfung der Wertfestsetzung durch den Senat führt nicht zu einer Abänderung.

1. Die Festsetzung des Verfahrenswertes hat sich an § 53 Abs. 1 Nr. 5 GKG auszurichten. Danach sind drei Kriterien maßgeblich, nämlich

das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse des Antragstellers,

die grundsätzliche Beschränkung auf 10 % des Grundkapitals und

die Bedeutung der Sache für die Parteien.

Nach den ersten beiden Kriterien wäre der Verfahrenswert auf 10% des Grundkapitals der Aktiengesellschaft, also 7.500 EUR festzusetzen gewesen. Es kann ausgeschlossen werden, dass das Interesse der Antragstellerin noch unterhalb dieses Betrages gelegen hat.

2. Die Anwendung des 3. Kriteriums erlaubt zwar eine - deutliche - Überschreitung dieses Betrages, nicht aber die Festsetzung des Verfahrenswertes auf den im Rahmen der Gegenvorstellung für richtig gehaltenen Betrag von 30 Mio. EUR.

a) In der Rechtsprechung (LG München I, Beschluss vom 29.03.2007 - 5 HK O 12931/06 -, NZG 2007, 477) und im Schrifttum (Spindler, Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 148 Rn. 54; Arnold, in MünchKomm-AktG, 4. Aufl. 2018, § 148 Rn. 103; Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, § 53 GKG Rn. 41) wird allerdings schon für das Klägerinteresse vertreten, dass der mit der Klage geltend zu machende Schaden maßgeblich sein soll. Danach wäre aufgrund der sich aus § 30 Abs. 2 GKG und § 22 Abs. 2 S. 1 RVG ergebenden Begrenzung des Gebührenstreitwertes auf 30 Mio. EUR dieser Betrag festzusetzen, denn im Rahmen des Verfahrens hat die Antragstellerin geltend gemacht, dass die Antragsgegner der Gesellschaft einen Schaden in Höhe von über 100 Mio. EUR zugefügt haben.

Dasselbe ergibt sich im Hinblick auf den Umfang der Beteiligung der Antragstellerin an der Gesellschaft, wenn man nur einen entsprechenden Bruchteil des Schadens für den Verfahrenswert berücksichtigt (so Mock in: Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl. 2019, § 148 Rn. 115; Lochner, in: Heidel, AktG, 4. Aufl. 2014, § 148 Rn. 54; Meilicke/Heidel, DB 2004, 1479, 1482).

Nach wiederum anderer Auffassung, soll - unabhängig vom Anteil des antragstellenden Aktionärs - deshalb ein Bruchteil der Schadenssumme als Verfahrenswert angesetzt werden, weil es zunächst einmal nur um die Zulassung zur Klage und nicht um den Leistungsanspruch selbst geht. Der maßgebliche Bruchteil schwankt dabei zwischen ein Halb (Jäckel in: BeckOK Kostenrecht, 24. Ed. 2018, § 53 GKG Rn. 18) und ein Zehntel (Rieckers/Vetter in: KölnKomm-AktG, 3. Aufl. 2015, § 148 Rn. 115).

b) Keine dieser Auffassungen vermag jedoch zu überzeugen, weil diese der im Gesetz vorgesehenen grundsätzlichen Beschränkung des Verfahrenswertes auf 10 % des Grundkapitals nicht hinreichend gerecht werden. Soweit pauschal auf die behauptete Schadenssumme abgestellt wird, wird aus den zitierten Entscheidungen und Kommentarstellen schon nicht recht deutlich, ob dies lediglich für die Bewertung des Antragstellerinteresses gemäß § 3 ZPO oder für den festzusetzenden Verfahrenswert selbst maßgeblich sein soll. Es wird darüber hinaus vernachlässigt, dass im Zulassungsverfahren der Streitwert einer späteren Leistungsklage noch gar nicht feststeht. So hat die Antragstellerin in diesem Verfahren zwar einen möglichen Schaden von über 100 Mio. EUR vorgetragen, aber lediglich die Zu...

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