Leitsatz (amtlich)

Nach § 142 Abs. 1 S. 1 StPO soll dem Beschuldigten vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers Gelegenheit gegeben werden, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger seiner Wahl zu bezeichnen. Allein der Ablauf der gesetzten Benennungsfrist kann dem Beschuldigten dieses Recht nicht nehmen. Denn die Benennungsfrist stellt keine Ausschlussfrist dar.

 

Tenor

Die angefochtenen Entscheidungen werden aufgehoben.

Unter Entpflichtung der Rechtsanwälte X. und Y. aus Bonn werden dem Angeschuldigten Rechtsanwalt Philipp Berger, ppp. als Pflichtverteidiger und Rechtsanwältin Adrijana Biazevska, ppp. als weitere Pflichtverteidigerin zur Sicherung des Verfahrens beigeordnet.

Die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Landeskasse auferlegt.

 

Gründe

I.

Das Landgericht Bonn hat dem Beschwerdeführer - jeweils in deutscher Sprache - die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bonn vom 16.05.2014 sowie ein Anschreiben vom 21.05.2014 zustellen lassen, in welchem er aufgefordert worden ist, binnen einer Woche zwei Rechtsanwälte zu benennen, die ihm als Pflichtverteidiger beigeordnet werden könnten. Die Zustellung erfolgte am 24.05.2014 (einem Samstag). Da bis zum 04.06.2014 (Dienstschluss) keine Reaktion des Beschwerdeführers auf die genannte Aufforderung beim Landgericht Bonn eingegangen war, bestellte der Vorsitzende der 9. großen Strafkammer mit Beschluss vom 04.06.2014 Rechtsanwältin X. aus Bonn zur Pflichtverteidigerin und Rechtsanwalt Y: aus Bonn zur Sicherung des Verfahrens zum weiteren Pflichtverteidiger des Beschwerdeführers. Dieser Beschluss wurde noch am gleichen Tage innerhalb der Dienstzeit durch die Geschäftsstelle der Strafkammer an den Beschwerdeführer und die Rechtsanwälte X. und Y. abgesandt. Am 04.06.2014 ging nach Dienstschluss um 17:44 Uhr ein in deutscher Sprache verfasstes Fax des Beschwerdeführers beim Landgericht Bonn ein, in welchem er Rechtsanwalt Berger aus Düsseldorf als Hauptverteidiger und Rechtsanwältin Blazevska. aus Düsseldorf als weitere Verteidigerin benannte. Zur Begründung führte er an, er kenne Rechtsanwalt Berger "bereits damals über einen Bekannten"; er sei sein Anwalt, dem er vertraue. Auch Rechtsanwältin Blazevska, die so wie er die serbo-kroatische Sprache beherrsche, sei eine Rechtsanwältin seines Vertrauens. Beide seien auch nur im Strafrecht tätig, was er bevorzuge. Er bitte, seine Entscheidung zu berücksichtigen. Bereits um 17:24 Uhr und 17:29 Uhr (also ebenfalls nach Dienstschluss) waren Faxe der Rechtsanwälte Berger und Blazevska beim Landgericht Bonn eingegangen, in denen sie die Verteidigung des Beschwerdeführers angezeigt und die Beiordnung als Pflichtverteidiger unter Anführung der vom Beschwerdefühfer selbst benannten Gründe beantragt hatten. Diese Anträge lehnte der Vorsitzende der 9. großen Strafkammer mit Beschluss vom 05.06.2014 unter Hinweis auf den am 02.06.2014 eingetretenen Fristablauf zur Benennung von Pflichtverteidigern ab.

Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde des Angeschuldigten mit Schriftsatz von Rechtsanwalt Berger vom 10.06.2014. In dieser trägt er vor, seine Muttersprache sei serbo-kroatisch; die deutsche Sprache, insbesondere Amtsdeutsch, sei ihm fremd. Den Inhalt der ihm am 24.05.2014 .zugestellten Sendung, insbesondere die darin verfügten Fristen, habe er mangels beigefügter Übersetzung in seine Muttersprache nicht verstanden. Sein Antrag auf Beiordnung der Rechtsanwälte Berger und Blazevska sei deshalb erst nach Fristablauf bei Gericht eingegangen, weil er nicht verstanden habe, dass ein Fristablauf und damit verbunden ein Rechtsnachteil gedroht habe. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, der Vorsitzende der 9. großen Strafkammer habe am Vormittag des 05.06.2014 den Beschluss vom Vortag per Fax gegenüber den von ihm erwählten Rechtsanwälten widerrufen können und müssen, insbesondere da zum diesem Zeitpunkt noch keinerlei Auslagen oder Gebühren angefallen gewesen seien. Zudem ist er der Meinung, dass die ihm gesetzte Frist von einer Woche zur Verteidigerbenennung nicht angemessen gewesen sei.

Mit Beschluss vom 11.06.2014 hat der Vorsitzende der 9. großen Strafkammer der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg, führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Beiordnung der Rechtsanwälte Berger und Blazevska als Pflichtver teidiger des Angeschuldigten.

Nicht zu beanstanden war die unübersetzte Aufforderung an den Beschwerdeführer, binnen einer Woche ab Zustellung zwei Verteidiger gegenüber dem Gericht zu be nennen. Der Senat schließt sich der im Nichtabhilfebeschluss im Einzelnen begründeten Auffassung des Landgerichts Bonn an, dass der Beschwerdeführer nach Aktenlage der deutschen Sprache hinreichend mächtig ist und das Anschreiben des Gerichts vom 21.05.2014 nicht nur verstehen konnte, sondern auch verstanden hat. Nicht anders ist es nämlich zu bewerten, dass der Beschwer...

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