Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe: Prüfung der Erfolgsaussicht; Entziehung des Pflichtteils wegen ehrlosen Lebenswandels

 

Leitsatz (amtlich)

1. Soweit für den Rechtstandpunkt des Antragstellers eine höchstrichterliche Entscheidung streitet, darf die von ihm nachgesuchte Prozesskostenhilfe nicht mit der Begründung versagt werden, das mit ihm befasste Gericht halte diese Entscheidung für bedenklich und beabsichtige nicht, ihr zu folgen.

2. Im PKH-Verfahren ist deshalb nicht darüber zu befinden, ob der Auffassung des BGH (BGH NJW 1980, 936) beigepflichtet werden kann, dass eine Entziehung des Pflichtteils wegen ehrlosen Lebenswandels des Abkömmlings nach § 2333 Nr. 5 BGB nicht in Betracht komme, wenn zwischen dem Erblasser und dem Abkömmling keinerlei persönliche Beziehungen bestanden haben.

3. Der Antrag, den Erben gem. § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Ermittlung des Werts der Nachlassgegenstände durch das Gutachten eines Sachverständigen zu verurteilen, muss die zu bewertenden Gegenstände konkret bezeichnen.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 253 Abs. 2 Nr. 2; BGB § 2314 Abs. 1 S. 2, § 2333 Nr. 5

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Beschluss vom 05.09.2007; Aktenzeichen 18 O 144/07)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 19.10.2007 wird der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss der 18. Zivilkammer des LG Bonn vom 5.9.2007 - 18 O 144/07 - teilweise, nämlich im Umfang der nachstehend formulierten Anweisung aufgehoben. Die Sache wird insoweit zur erneuten Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch der Antragstellerin an das LG zurückverwiesen. Das LG wird angewiesen, die Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage der Antragstellerin nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung abzulehnen, soweit die Antragstellerin sie

a) für die Sachanträge zu Ziff. 1a, 2 und 3 ihres Schriftsatzes vom 19.10.2007 und

b) für den Sachantrag zu Ziff. 1b dieses Schriftsatzes für eine Verurteilung der Antragsgegnerin zur Vorlage von Wertgutachten über die folgenden Grundstücke

  • Grundstück B, P-Straße 74 (Gartenland 369 m2, Gebäude- und Freifläche 476 m2),
  • Grundstück B, W-Straße, Landwirtschaftsfläche (452 m2 und 155 m2) und
  • Grundstück B, K-Hof, Landwirtschaftsfläche (383 m2 und 606 m2)

erstrebt.

Im Übrigen, das heißt soweit die Antragstellerin die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch für einen Antrag auf Verurteilung der Antragsgegnerin auf Vorlage eines Sachverständigengutachtens über den Wert aller weiteren sich im Nachlass befindenden beweglichen und unbeweglichen Sachen erstrebt, wird ihre sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 5.9.2007 zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Die Antragstellerin ist die nichteheliche Tochter des am 13.9.2006 verstorbenen Erblassers I L. Aus der durch den Tod des Erblassers mit der Antragsgegnerin aufgelösten Ehe ist ein Sohn hervorgegangen. Durch notariell beurkundeten Erbvertrag vom 10.9.1991 hatten die Eheleute sich wechselseitig zu Alleinerben und ihren gemeinsamen Sohn zum Erben des Überlebenden eingesetzt. Nachdem die Antragstellerin im Jahre 1993 ihren Lebensgefährten, Herrn K.M., getötet hatte, haben der Erblasser und die Antragsgegnerin den zwischen ihnen geschlossenen Erbvertrag durch einen weiteren notariell beurkundeten Vertrag vom 10.1.2002 dahin ergänzt, dass der Erblasser der Antragstellerin den Pflichtteil entzog. Hierzu heißt es in dem Ergänzungsvertrag u.a. wie folgt:

(Die Antragstellerin) "... hat von Ende der Achtziger Jahre bis November 1993 Rauschgiftdelikte begangen und Kraftfahrzeugdiebstähle vorgenommen. Sie war mit Herrn K.M. befreundet. Sie hat K.M. am 24.11.1993 durch einen Schuss in den Rücken getötet. Mit Hilfe zweier Bekannter wurde die Leiche verpackt. Vermutlich in der Nacht zum 26.11.1993 wurde die Leiche in den E-See versenkt, nachdem sie mit Hantelgewichten beschwert worden war ...

Ich, I.L., entziehe hiermit ... (der Antragstellerin) aufgrund ihres ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels gem. § 2333 Ziff. 5 BGB den Pflichtteil. Durch die Rauschgiftdelikte und die Delikte im Kfz-Bereich einerseits, maßgeblich aber durch die Ermordung von K.M. hat sie durch ihren vorwerfbaren Lebenswandel die Familienehre nachhaltig verletzt. Sie hat nach unserem Kenntnisstand den Tod eines Menschen schuldhaft herbeigeführt. Dies rechtfertigt aus meiner Sicht eindeutig die Entziehung des Pflichtteils ..."

Die Antragstellerin, die sich zwischenzeitlich im Ausland aufgehalten hatte, ist wegen der Tötung von K.M. durch das LG Bonn zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten verurteilt worden. Sie möchte die Antragsgegnerin im Wege einer Stufenklage auf Erteilung einer Auskunft über den Nachlass des Erblassers und Erfüllung des sich aus dieser Auskunft ergebenden Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchs in Anspruch nehmen und hat um Gewährung von Prozesskostenhilfe für diese Klage gebeten.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das LG das Prozesskostenhilfegesuch der Antragstellerin mit der Begründung abgelehnt, dass sie nich...

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