Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil bei Zerstrittenheit der Eltern

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil scheint dann geboten, wenn die Kindeseltern heillos zerstritten sind und eine Kommunikation auch über wesentliche Kindesbelange nicht möglich erscheint. Die Fähigkeit zu kooperativem Verhalten äußert sich darin, dass die Eltern in der Lage sind, persönliche Interessen und Differenzen zum Wohle des Kindes zurückzustellen. Danch ist eine Kooperationsbereitschaft so lange gegeben, wie zwischen den Eltern in allen Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind (§ 1687 BGB) Einigkeit besteht bzw. mit Hilfe Dritter – aber ohne Gerichtsverfahren – hergestellt werden kann. Lässt sich eine Kooperationsfähigkeit in diesem Umfang nicht feststellen, ist die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben. So ist die Aufhebung der gemeinsamen Sorge zum Wohl des Kindes dann geboten, wenn die Eltern nach der Trennung nur noch über ihre Rechtsanwälte verkehren und z.B. ständig Streitereien über die Ausübung des Umgangsrechts entstehen (vgl. Oelkers, Die Entwicklung des Sorgerechts bis Ende 2001, Teil 2, FuR 2002, 168 (170; II.2.aa) bb), m.w.N.); Palandt/Diederichsen, BGB, 65.Aufl. 2006, § 1687 Rz. 7).

 

Normenkette

BGB § 1671 Abs. 1, 2 Ziff. 2, § 1687

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Urteil vom 06.12.2005; Aktenzeichen 42 F 361/04)

 

Tenor

I. Auf die als Beschwerde zu wertende "Berufung" der Antragstellerin wird das am 6.12.2005 verkündete Urteil des AG - FamG - Bonn zum Sorge- und Umgangsrecht teilweise abgeändert.

I. Der Antragstellerin wird die alleinige elterliche Sorge betreffend die am 31.10.2000 geborene Tochter der Parteien N übertragen.

II. Der Antragsgegner erhält ein 14-tägiges begleitetes Umgangsrecht für mindestens drei Stunden, welches unter Vermittlung des Jugendamtes C als Umgangspfleger nach Maßgabe der Mitarbeiter und im Beisein eines Dritten, etwa eines Mitarbeiters des Kinderschutzbundes C, ausgestaltet wird.

III. Im Übrigen wird die weitergehende Beschwerde zurückgewiesen.

IV. Für die erste Instanz verbleibt es bei der amtsgerichtlichen Kostenentscheidung.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

II. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin H in C bewilligt.

 

Gründe

Die gem. §§ 629a Abs. 2, 621e ZPO zulässige - insb. frist- und formgerecht eingelegte - befristete Beschwerde der Antragstellerin hat auch in der Sache zum ganz überwiegenden Teil Erfolg. Der Antragstellerin ist die alleinige elterliche Sorge zu übertragen und dem Antragsgegner ist ein begleitetes Umgangsrecht hinsichtlich der Tochter N einzuräumen.

I. Auf die befristete Beschwerde der Antragstellerin war dieser gem. § 1671 Abs. 1, 2 Ziff. 2 BGB die alleinige elterliche Sorge zu übertragen, da diese den Antrag hierzu gestellt hat und zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf die Antragstellerin dem Wohl des Kindes am Besten entspricht.

Die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter war geboten, da die Kindeseltern heillos zerstritten sind und eine Kommunikation auch über wesentliche Kindesbelange nicht möglich erscheint. Die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt eine Kommunikationsfähigkeit der Eltern in denen das Kind betreffenden Grundfragen voraus. Sie müssen objektiv und subjektiv Kooperationsbereitschaft zeigen. Das schließt Meinungsverschiedenheiten - auch emotionsreich geführte - zwischen den Eltern nicht aus. Aber es kann dem Kind nicht zugemutet werden, ständig emotionsgeladene Streitigkeiten zwischen den Elternteilen miterleben zu müssen. Können die Eltern ihre Auseinandersetzungen nicht zivilisiert austragen, muss dies zu einem Alleinsorgerecht führen (vgl. Oelkers, Die Entwicklung des Sorgerechts bis Ende 2001, Teil 2, FuR 2002, S. 168, 170; II 2.a) bb), m.w.N.). Die Fähigkeit zu kooperativem Verhalten äußert sich darin, dass die Eltern in der Lage sind, persönliche Interessen und Differenzen zum Wohle des Kindes zurückzustellen. Danach ist nach Auffassung des Senates eine Kooperationsbereitschaft so lange gegeben, wie zwischen den Eltern in allen Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind (§ 1687 BGB) Einigkeit besteht bzw. mit Hilfe Dritter - aber ohne Gerichtsverfahren - hergestellt werden kann. Lässt sich eine Kooperationsfähigkeit in diesem Umfang nicht feststellen, ist die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben (vgl. Oelkers, Die Entwicklung des Sorgerechts bis Ende 2001, Teil 2, FuR 2002, S. 168, 170; II 2.a) bb), m.w.N.). So ist die Aufhebung der gemeinsamen Sorge zum Wohle des Kindes dann geboten, wenn die Eltern nach der Trennung nur noch über ihre Rechtsanwälte verkehren und z.B. ständig Streitereien über die Ausübung des Umgangsrechtes entstehen (Oelkers, Die Entwicklung des Sorgerechts bis Ende 2001, Teil 2, FuR 2002, S. 168, 170; II 2.a) bb),; Palandt/Diederichse...

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