Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Wirksamkeit einer Anfechtung eines Erbvertrages; Rechtsirrtum über den Fortbestand der Bindungswirkung eines ohne Rücktrittsvorbehalt abgeschlossenen Erbvertrages trotz Ausschlagung der Erbschaft durch den überlebenden Vertragspartner

 

Verfahrensgang

AG Aachen (Beschluss vom 08.03.2010; Aktenzeichen 74 M VI 1897/09)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 09.03.2011; Aktenzeichen IV ZB 16/10)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) gegen den Beschluss des AG Aachen vom 8.3.2010 - 74 M VI 1897/09 - wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die am 11.7.2009 ohne eigene Abkömmlinge verstorbene Erblasserin war in erster Ehe verheiratet mit Herrn I. X. M.. Mit ihm schloss sie am 10.7.1975 einen notariell beurkundeten Erbvertrag, in welchem der Ehemann die Erblasserin zu seiner alleinigen Erbin einsetze. Die Erblasserin ihrerseits setzte die beiden Kinder des Ehemannes aus dessen erster Ehe zu ihren Erben ein. Dabei handelt es sich zum einen um die Beteiligte zu 3), zum anderen um eine nach Abschluss des Erbvertrages, aber vor der Erblasserin kinderlos verstorbene Schwester der Beteiligten zu 3). Die Erblasserin vermachte desweiteren in diesem Erbvertrag den Beteiligten zu 1) und 2), ihren Geschwistern, eine Grundbesitzbeteiligung. Die Ehegatten behielten sich kein Rücktrittsrecht von diesem Erbvertrag vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 12 ff. d.A. 74b IV 100-101/88 AG Aachen verwiesen.

Nach dem Tod des Herrn M. am 9.1.1988 schlug die Erblasserin die Erbschaft aus allen Berufungsgründen aus, da der Nachlass überschuldet sei. Anschließend schlugen auch die Beteiligte zu 3) - zugleich für ihre Kinder - und ihre Schwester das Erbe wegen Überschuldung des Nachlasses aus.

Die Erblasserin heiratete im Dezember 1994 Herrn K. N., den Vater der Beteiligten zu 4) bis 6). Im Vorgriff auf die beabsichtigte Eheschließung schlossen die Erblasserin und Herr N. am 9.11.1994 einen notariell beurkundeten Ehe- und Erbvertrag. Hierin setzte u.a. die Erblasserin ihren zukünftigen Ehemann, ersatzweise dessen Abkömmlinge, zu ihren Erben ein. Hinsichtlich dieser Ersatzerbeneinsetzung behielt sie sich ein Rücktrittsrecht vom Erbvertrag vor. Dieser Erbvertrag wurde nachfolgend mehrfach geändert; die Änderungen betrafen jedoch nur Verfügungen des Herrn N. zugunsten der Erblasserin.

Nachdem Herr N. am 24.2.2001 verstorben war, errichtete die Erblasserin am 10.5.2001 ein Testament vor Notar O. in Q., in welchem sie die Beteiligten zu 1) und 2) zu ihren Erben zu je ½-Anteil einsetzte. Eingangs des Testamentes heißt es: "Die Erschienene erklärte dem Notar auf Befragen, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit besitze und bisher keine Verfügungen von Todes wegen errichtet habe, durch die sie gehindert sei, über ihren Nachlass frei zu verfügen."

Durch weiteres Testament vom 19.12.2006 setzte die Erblasserin noch einige Vermächtnisse aus, ließ aber im Übrigen die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1) und 2) bis zu ihrem Tode unverändert. Wegen der Einzelheiten der vorgenannten Erbverträge und Testamente wird auf Bl. 17 ff. d.A. 74 M IV 1431/09 AG Aachen verwiesen.

Die Beteiligten zu 1) und 2) beantragten am 3.11.2009 zu Protokoll des AG - Nachlassgerichts - Aachen die Erteilung eines Erbscheins dahingehend, dass die Erblasserin von ihnen zu je ½ beerbt worden sei. Sie vertraten darin die Auffassung, dass die Bindungswirkung des Erbvertrages vom 10.7.1975 infolge der Ausschlagung der Erbschaft erloschen sei. Die hierzu angehörte Beteiligte zu 3) trat dieser Ansicht unter Hinweis auf den fehlenden Vorbehalt eines Rücktrittsrechts entgegen. Sie ist der Ansicht, sie selbst sei Alleinerbin geworden.

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben mit Schriftsatz vom 7.1.2010 die Anfechtung des Erbvertrages vom 10.7.1975 erklärt (Bl. 36, 41 d.A.). Hierzu behaupten sie, die Erbeinsetzung der Kinder des Herrn M. im Erbvertrag vom 10.7.1975 sei im Hinblick darauf erfolgt, dass damals der Ehemann das von ihm betriebene Lkw-Import/Export-Unternehmen wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten auf seine Ehefrau übertragen habe, selbst aber weiterhin den Betrieb geführt habe. Dieses Unternehmen wie auch das übrige Vermögen habe den Kindern des Herrn M. erhalten werden sollen. Die Erblasserin habe lediglich die bereits damals den Beteiligten zu 1) und 2) vermachte Grundstücksbeteiligung in die Ehe eingebracht. Die Erwartung bei Abschluss des Erbvertrages, dass das von der Erblasserin hinterlassene Vermögen im Wesentlichen - mit Ausnahme der Grundstücksbeteiligung - aus der Familie des Herrn M. und dessen Arbeitsleistung stammen werde, habe sich aber nicht erfüllt. Beim Tod des Herrn M. habe die Erblasserin vor dem wirtschaftlichen "Nichts" gestanden. Der Nachlass sei mit 350.000 DM überschuldet gewesen; diese Verbindlichkeiten habe die damals vermögenslose Erblasserin nicht decken können. Ihr späteres Vermögen habe sie ausschließli...

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