Tenor

  • I.

    Die Entscheidungen über den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, die Auslieferung des Verfolgten nach Belgien zur Strafverfolgung für zulässig zu erklären, sowie die Entscheidung über den Antrag des Verfolgten, seine Übergabe wegen Bestehens eines Auslieferungshindernisses gemäß § 73 IRG für unzulässig zu erklären, werden zurückgestellt.

  • II.

    Vor einer Entscheidung über die Zulässigkeit der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe in Belgien erachtet der Senat es für erforderlich, die belgischen Behörden um die Beantwortung folgender Fragen zu bitten:

    1. In welche Haftanstalt (genaue namentliche Bezeichnung) wird der Verurteilte nach erfolgter Auslieferung voraussichtlich aufgenommen und in welcher Haftanstalt (genaue namentliche Bezeichnung) wird er während der Dauer des Freiheitsentzuges voraussichtlich inhaftiert sein?
    2. Entsprechen die räumliche Unterbringung und die sonstige Gestaltung der Haftbedingungen in dieser/diesen Haftanstalt/Haftanstalten den Anforderungen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, insbesondere im Sinne von Art. 3 dieser Konvention (keine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung von Häftlingen), bzw. den Mindestgrundsätzen für die Behandlung der Gefangenen der Vereinten Nationen (vom 13. Mai 1977) und / oder den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen vom 11. Januar 2006.

    Insoweit wird um Informationen über die Haftbedingungen in der/den namentlich benannten Haftanstalt/Haftanstalten insbesondere im Hinblick auf folgende Umstände gebeten:

    Zahl der Haftplätze, Gesamtzahl der Gefangenen, Größe der Hafträume und deren Belegung. Ergänzend wäre es hilfreich, wenn weitere Angaben zu der Ausstattung der Haftanstalt mit sanitären Einrichtungen, den Verpflegungsbedingungen, der Art und Bedingungen des Zugangs der Häftlinge zu medizinischer Versorgung, der Anzahl der Stunden, die die Häftlinge außerhalb ihres Haftraumes verbringen dürfen, gemacht werden würden.

  • III.

    Der Antrag des Verfolgten, den Auslieferungshaftbefehl vom 14.02.2018 aufzuheben, wird zurückgewiesen.

  • IV.

    Gegen den Verfolgten wird die Fortdauer der Auslieferungshaft angeordnet.

 

Gründe

I.

1. Die belgischen Behörden ersuchen mit SIS-Ausschreibung vom 29.10.2017 (SIDN: BECXXX) um die Auslieferung des Verfolgten aus Deutschland nach Belgien zum Zwecke der Strafvollstreckung. Gegen ihn besteht ein Europäischer Haftbefehl der Staatsanwaltschaft in Antwerpen (Belgien) vom 29.10.2017 (Az. 17NZ4773). Der Verfolgte ist durch Urteil des Gerichts in Antwerpen vom 21.03.2017 (Az. AN37.F1.108132/16, Urteil 1451) wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt worden, die er noch vollständig verbüßen muss.

Konkret wird ihm ausweislich der SIS-Ausschreibung Folgendes zur Last gelegt:

"Die Geschädigte J.I. wurde im Juni 2015 in Nigeria angeworben und nach Europa geschleust. Vor ihrer Abreise aus Nigeria unterzog sie sich einem Voodoo-Ritual, bei dem sie mehrmals sagen musste, dass sie, wenn sie ihre Schulden nicht bezahlen oder ihre "Madam" bei der Polizei anzeigen werde, sterben werde. Angeblich musste sie an ihre "Madam" für die Reise nach Europa 35.000 Euro zahlen.

Sie reiste auf dem Landweg nach Libyen und anschließend in einem Schlauchboot über das Mittelmeer nach Italien, wo sie in einem Notlager blieb. Dort wurde sie von P in Velance abgeholt und nach Lille/Frankreich gebracht, wo sie Asyl beantragen musste. Sie blieb bei P in Roubaix, wo sie einige Tage später von ihrer Madam (B U) abgeholt wurde. Dann reiste sie zusammen mit B und P nach Antwerpen (BE), wo sie in einer Bar als Prostituierte arbeiten musste, um ihre Schulden zu begleichen. Sie musste die ganze Nacht lang arbeiten und noch am selben Tag ihre Einnahmen an B abgeben. Wenn sie zu wenig verdient hatte, wurde sie von B übel beschimpft. Auch die Sozialhilfe, die sie in Lille bezog (nachdem sie Asyl beantragt hatte) musste sie an B abgeben. Außerdem musste sie für B U Kuchen backen, die sie an verschiedene afrikanische Geschäfte liefern musste, und wurde angewiesen, über ein afrikanisches Geschäft in Antwerpen Geld zu überweisen oder überweisen zu lassen, um die Schleuser zu bezahlen.

P tätigte Geldüberweisungen, die unmittelbar mit der Schleusung von J.I. in Verbindung gebracht werden können, und war auch Begünstigter zweier Geldüberweisungen von B U, in deren Wohnung in Antwerpen P regelmäßig gesehen wurde."

2. Der Verfolgte ist am 07.02.2018 festgenommen worden und am gleichen Tag von dem Amtsgericht Siegburg zu dem Auslieferungsersuchen angehört worden. Er hat sich weder mit der Auslieferung im vereinfachten Verfahren einverstanden erklärt noch auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität verzichtet. Er hat geäußert, weder eine Anklageschrift erhalten noch in Antwerpen vor Gericht gestanden zu haben, von dem Strafverfahren habe er keine Kenntnis. Zur Sache hat er angegeben, dass er die Geschädigte in Frankreich kennengelernt habe und ihr eine Fahrt nach Lille bezahlt habe, wi...

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