Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage der Abänderung einer Sorgerechtsentscheidung bei langfristigem Aufenthalt des Kindes im Ausland. Keine Abänderung einer Sorgerechtsentscheidung bei längerfristigem Aufenthalt des Kindes im Ausland

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gemäß § 1696 Abs. 1 BGB haben das VormG und das FamG ihre Anordnungen zu ändern, wenn dies aus triftigen Gründen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Ein solcher triftiger Grund liegt vor, wenn die Vorteile einer Änderung der getroffenen Sorgerechtsentscheidung des FamG die mit einer Änderung verbundenen Nachteile deutlich überwiegen. Allein der Umstand, dass die sorgeberechtigte Mutter ihr Kind über längere Zeit im Ausland bei Verwandten aufwachsen lässt, rechtfertigt noch nicht die Annahme eines solchen triftigen Grundes. Entscheidend ist, ob das Kind bei den Verwandten im Ausland in geordneten Verhältnissen aufwächst und die Kindesmutter so in Ausübung des ihr übertragenen Sorgerechtes eine Entscheidung getroffen hat, die dem Kindeswohl dient.

2. Hat sich das Kind vom Vater wegen längerer Zeit unterbrochener Besuchskontakte stark entfremdet, so kann der Vater kein Umgangsrecht für einen längeren Ferienaufenthalt im Sommer wie im Winter beanspruchen, wenn dies dem Kindeswillen entgegensteht. Das Wohl des Kindes wäre gefährdet, würde man es gerichtlicherseits zwingen, übergangslos längere Ferienaufenthalte mit dem ihm faktisch unbekannten Vater zu verbringen. In Betracht käme allenfalls eine behutsame Anbahnung von Umgangskontakten, ggf. in Anwesenheit dritter Personen gem. § 1684 Abs. 4 S. 3 und 4 BGB.

3. An die Stelle des weitgehend eingeschränkten Umgangsrechts tritt das Auskunftsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils. Es dient dazu, dem Elternteil, der nicht mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft lebt, zu ermöglichen, sich von der Entwicklung des Kindes und seinem Wohlergehen laufend überzeugen zu können. Es erlangt dort besondere Bedeutung, wo ein regelmäßiger Besuchskontakt nicht stattfindet, insb. wegen großer räumlicher Entfernung ausfällt. Ein berechtigtes Interesse, vom andern Elternteil Auskunft zu verlangen, kann nicht deshalb verneint werden, weil sich der auskunftsbegehrende Elternteil vorher längere Zeit nicht um das Kind gekümmert hat.

 

Normenkette

BGB § 1696 Abs. 1, § 1671 Abs. 2 Nr. 2, § 1684 Abs. 4 S. 2, § 1686 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 04.04.2003; Aktenzeichen 42 F 123/02)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 18.8.2003 wird der Beschluss des AG - FamG - Bonn vom 4.4.2003 teilweise im Hinblick auf die der Kindesmutter auferlegte jährliche Berichtspflicht wie folgt geändert:

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller wie folgt Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes L. zu erteilen:

1. durch einen halbjährlichen Bericht, jeweils zum 1.1. und 1.7. eines Jahres, beginnend mit dem 1.1.2005, der Informationen enthält

  • über die schulische Entwicklung Ls unter Beifügung einer Kopie des jeweils letzten Zeugnisses;
  • über seine persönliche Lebenssituation einschließlich seiner besonderen Neigungen und Interessen;
  • über seine allgemeine gesundheitliche Situation;

2. durch Übersendung eines aktuellen Lichtbildes von L. in voller Größe jeweils zum 1.1. eines Jahres;

3. durch sofortige unaufgeforderte Mitteilung lebensbedrohlicher Erkrankungen oder Unfallverletzungen des Kindes sowie Mitteilung der neuen Anschrift Ls. bei jedem Wohnortwechsel.

II. Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

IV. Der Antragsgegnerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin C. in B. beigeordnet.

 

Gründe

Die gem. §§ 621e, 621 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO statthafte (befristete) Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat in der Sache jedoch nur in geringem Umfang Erfolg.

I. Sorgerecht

Der Senat sieht ebenso wenig wie das FamG einen Anlass, das der Antragsgegnerin mit dem Scheidungsurteil vom 22.5.1996 übertragene alleinige Sorgerecht über L. nunmehr wegen wesentlicher Änderungen der Verhältnisse dem Antragsteller auch nur teilweise in Form des Aufenthaltsbestimmungsrechtes zu übertragen. Auch eine Übertragung auf das Jugendamt ist aus Gründen des Kindeswohls nicht geboten.

Gemäß § 1696 Abs. 1 BGB haben das VormG und das FamG ihre Anordnungen zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Diese Bestimmung gilt insb. auch für die sorgerechtlichen Anordnungen des FamG wie hier die Übertragung des Alleinsorgerechts auf die Kindesmutter nach § 1671 BGB (vgl. dazu Palandt/Diederichsen, BGB, 63. Aufl., § 1696 Rz. 11). Triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Gründe für eine Änderung der seinerzeitigen Übertragung des alleinigen Sorgerechtes auf die Kindesmutter liegen nach Auffassung des Senats aufgrund der Übersiedlung von L. nach Singapur zu Verwandten der Antragsg...

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