Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbefristeter Ausschluss des Umgangsrechts

 

Leitsatz (amtlich)

Der Umgangsberechtigte ist durch eine sein Umgangsrecht ausschließende Entscheidung schon allein dann beschwert, wenn die Aussetzung des Umgangsrechtes unbefristet erfolgt.

Auch hat er ein berechtigtes Interesse dahin gehend, dass eine Regelung getroffen wird, die die Umgangskontakte zwischen ihm und seiner Tochter für die Zeit des Ausschlusses des persönlichen Umgangs betrifft.

Ein völliger unbefristeter auf Dauer angelegter Ausschluss des Umgangsrechts kommt unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nur dann in Betracht, wenn eine sehr hohe Prognosewahrscheinlichkeit besteht, dass ohne Kindeswohlgefährdung ein Umgang nicht stattfinden kann und daher der völlig Ausschluss zum Wohl des Kindes erforderlich sein muss.

 

Normenkette

BGB § 1684 Abs. 4

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 01.09.2008; Aktenzeichen 42 F 201/06)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Kindesvaters (Verfahrensbeteiligter zu 1)) wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bonn vom 1.9.2008 - 42 F 201/06 - unter Zurückweisung des Rechtsmittels und Abweisung des weitergehenden Antrages des Kindesvaters im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neugefasst:

1. Das mit Beschluss des Familiengerichts Bonn vom 28.10.2003 - 46a F 370/02 - angeordnete Umgangsrecht des Kindesvaters (Verfahrensbeteiligter zu 1) und Antragsteller) mit seiner Tochter M wird bis zum 31.3.2010 ausgesetzt.

2. Die Kindesmutter wird angehalten, in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt rechtzeitig vor Auslaufen der Aussetzung geeignete Maßnahmen zu unternehmen, um M auf die Anbahnung eines zunächst begleiteten Umgangs mit dem Kindesvater vorzubereiten.

3. Die weitere Ausgestaltung des Umgangsrechtes ab dem 1.4.2010 sollen die Kindeseltern einvernehmlich unter Mithilfe des Jugendamtes regeln. Nötigenfalls ist erneut das Familiengericht mit der näheren Ausgestaltung des Umgangsrechtes für den Fall der Nichteinigung der Kindeseltern einzuschalten.

4. Der Kindesmutter wird aufgegeben, dem Kindesvater unaufgefordert alle drei Monate einen Bericht über die Entwicklung seiner Tochter, Zeugniskopien sowie ein aktuelles Foto zu übersenden.

5. Der Kindesvater ist berechtigt, M zum Geburtstag und zu Weihnachten einen Brief und Geschenke zu übersenden, welche die Mutter unter Beachtung des Wohlverhaltensgebotes M zu überreichen hat.

II. Die Kosten des Umgangsrechtsverfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

III. Der Kindesmutter wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B in C bewilligt.

 

Gründe

I. Die gem. § 621e ZPO zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - befristete Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die befristete Beschwerde ist zulässig. Ihr fehlt nicht das Rechtsschutzinteresse. Denn der Antragsteller (Kindesvater und Beschwerdeführer) ist durch die angefochtene Entscheidung allein dadurch beschwert, dass die Aussetzung des Umgangsrechtes unbefristet erfolgt ist. Darüber hinaus hat der Antragsteller auch ein berechtigtes Interesse dahingehend, dass eine Regelung getroffen wird, die die Umgangskontakte zwischen ihm und seiner Tochter für die Zeit des Ausschlusses des persönlichen Umgangs betrifft.

Die befristete Beschwerde des Kindesvaters ist auch teilweise begründet. Die unbefristete Aussetzung des Umgangsrechtes stellt sich nämlich als unverhältnismäßig dar. Gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB ist ein Umgangsausschluss für längere Zeit nur statthaft, wenn anderenfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Das Umgangsrecht eines Elternteils steht ebenso wie die elterliche Sorge des anderen Elternteils unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangsrechtes ist nur veranlasst, wenn und soweit nach den Umständen des Einzelfalles der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen und körperlichen Entwicklung abzuwehren (vgl. BVerfGE 31, 194, 206, 209 ff.). Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist strikt zu wahren (vgl. z.B. BVerfG FamRZ 2005, 1057, 1058). Können sich die Eltern über die Ausübung des Umgangsrechtes nicht einigen, haben die Gerichte eine Entscheidung zu treffen, die sowohl den beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt (BVerfG, a.a.O.). Die gesetzliche Regelung des § 1684 Abs. 4 BGB ermöglicht gerichtliche Entscheidungen, welche die Umgangsbefugnis einschränken oder ausschließen, wenn das Kind dies aus ernsthaften Gründen wünscht und ein erzwungenes Umgangsrecht das Kindeswohl beeinträchtigen würde (vgl. BVerfGE 64, 180, 191).

Gemessen an diesen strengen rechtlichen Maßstäben kommt unter den vorliegenden Gesichtspunkten ein unbefristeter Ausschluss des Umgangsrechtes nicht in Betracht. Vielmehr ist schon in der Beschlussformel festzulegen, dass der Ausschluss nur für eine bestimmte Dauer gilt und die Dauer der Aussetzung dazu zu nutzen...

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