Leitsatz (amtlich)

1. Die Anzahl der erteilten Beratungshilfescheine ist für die gebührenrechtliche Bewertung der Zahl der "Angelegenheiten", für die Beratungshilfe bewilligt wurde, grundsätzlich ohne Bedeutung (Festhaltung OLG Köln MDR 2010, 474 = AGS 2010, 188).

2. Ist im Beratungshilfeschein nach Art einer "Vorratsentscheidung" für eine Vielzahl von Sachverhalten im Zusammenhang mit der Trennung von Eheleuten Beratungshilfe bewilligt worden (hier: "Fragen bzgl. Getrenntleben, Ehescheidung, Unterhalt, Zugewinn, Hausratsteilung"), so kann diese Verfahrensweise nicht im Vergütungsverfahren nachträglich dahin korrigiert werden, die Bewilligung erfasse nur solche Sachverhalte, für die zum Zeitpunkt der Erteilung des Berechtigungsscheins ein konkreter Beratungsbedarf bestanden habe.

3. Zur Frage, inwiefern die Geltendmachung einerseits von Trennungsunterhalt sowie andererseits der Erstattung von Stromkosten unterschiedliche Angelegenheiten darstellen.

 

Normenkette

BerHG §§ 2, 6; RVG §§ 15, 44, 56

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 3 T 2/10)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) ist kraft Zulassung durch das LG als Beschwerdegericht nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden, in der Sache selbst aber unbegründet. Der angefochtene Beschluss hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Der Beteiligten zu 1) steht die unter dem 16.6.2009 geltend gemachte (weitere) Vergütung für das Tätigwerden in der Angelegenheit "Fragen bezüglich Getrenntleben" i.H.v. 99,96 EUR zu.

a) Es entspricht der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung, dass der gebührenrechtliche Begriff der "Angelegenheit" i.S.d. §§ 15 ff. RVG auch für die Bestimmung des Begriffs der "Angelegenheit" im Sinne des Beratungshilfegesetzes als Grundlage für die Festsetzung der Vergütung des Beratungshilfe leistenden Rechtsanwaltes maßgebend ist (Senatsbeschluss vom 4.1.2010 - 17 W 342/09, BeckRS 2010, 00737 = MDR 2010, 474 = AGS 2010, 188; OLG Brandenburg, Beschl. v. 29.9.2009 - 6 W 76/08, BeckRS 2009, 27557 = Rpfleger 2010, 221 = MDR 2009, 1417; OLG Köln, Beschl. v. 9.2.2009 - 16 Wx 252/08, BeckRS 2009, 10575 = FamRZ 2009, 1345 = Rpfleger 2009, 516; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2009, 430; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.10.2006 - 8 W 360/06, BeckRS 2006, 12351 = Rpfleger 2007, 84 so auch OLG München, MDR 1988, 330 zur vergleichbaren Rechtslage nach der BRAGO; vgl. ferner AnwaltKommentar-RVG/N. Schneider, 5. Aufl., Vor VV 2501 ff. Rz. 27). Gemäß § 44 RVG erhält der Rechtsanwalt für die Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe eine Vergütung nach dem RVG. Das bezieht sich nicht nur auf die in der Anlage zum RVG geregelten Festgebühren, sondern auch auf den gebührenrechtlichen Begriff der Angelegenheit i.S.d. RVG, der für die Höhe der Vergütung des Beratungshilfe leistenden Rechtsanwaltes maßgeblich ist.

b) Nach §§ 15, 22 Abs. 1 RVG entstehen die Gebühren in "derselben Angelegenheit" nur einmal, in mehreren Angelegenheiten dagegen mehrfach. Wie der erkennende Senat in der von dem Beteiligten zu 2. in Bezug genommenen Entscheidung vom 4.1.2010 im Anschluss an die Rechtsprechung des 16. Zivilsenats des OLG Köln (Beschl. v. 9.2.2009 - 16 Wx 252/08) bereits ausgeführt hat, ist die Anzahl der erteilten Berechtigungsscheine für die Zahl der "Angelegenheiten" grundsätzlich ohne Bedeutung (vgl. auch LG Osnabrück, Beschl. v. 31.7.2008 - 9 T 521/08, BeckRS 2009, 07516), da die Bewertung der im Berechtigungsschein als solche bezeichneten "Angelegenheit" in gebührenrechtlicher Hinsicht nicht dem Rechtspfleger im Bewilligungsverfahren obliegt, sondern der späteren Beurteilung im nachfolgenden Vergütungsfestsetzungsverfahren vorbehalten ist.

c) Entgegen der Auffassung der Rechtspflegerin des AG ist jedenfalls im Streitfall auch kein Raum für die Annahme, der Berechtigungsschein könne begrifflich lediglich diejenigen Sachverhalte erfassen, für die zum Zeitpunkt seiner Erteilung bereits ein konkreter Beratungsbedarf bestanden habe. Nach § 44 RVG erhält der Rechtsanwalt für die Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe eine Vergütung nach dem RVG aus der Landeskasse nach Nr. 2500 ff. des RVG-VV unter der Voraussetzung, dass dem Rechtssuchenden Beratungshilfe bewilligt und ein Berechtigungsschein ausgestellt worden ist (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.; AnwaltKommentar-RVG/N. Schneider, a.a.O., § 44 Rz. 17). Dabei muss der Sachverhalt, für den Beratungshilfe beantragt wird, angegeben werden, und die Angelegenheit, für welche ein Berechtigungsschein für die Beratungshilfe durch einen Rechtsanwalt nach Wahl des Rechtssuchenden bewilligt wird, gem. § 6 Abs. 1 BerHG genau bezeichnet werden. Diesen gesetzlichen Anforderungen wird der erteilte Berechtigungsschein bereits nicht gerecht, in welchem der Antragstellerin Beratungshilfe für "Fragen bzgl. Getrenntleben, Ehescheidung, Unterhalt, Zugewinn, Hausratsteilung" bewilligt worden ist. Da sich im Rahmen der Trennung von Ehe...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge