Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentum: Anspruch auf Beseitigung der Bepflanzung einer Gartenfläche bei Beeinträchtigung eines anderen Miteigentümers

 

Orientierungssatz

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Das einem Wohnungseigentümer in der Teilungserklärung eingeräumte Sondernutzungsrecht an einer Gartenfläche beinhaltet mangels näherer Regelung die Befugnis, Sträucher und Bäume anpflanzen und wachsen lassen zu dürfen. Führt die Bepflanzung zu spürbaren Beeinträchtigungen eines anderen Miteigentümers, kann dieser die Beseitigung der störenden Pflanzen/Pflanzenteile von dem Sondernutzungsberechtigten verlangen (hier: Rückschneiden einer am Haus gepflanzten, hochgewachsenen Schwarzkiefer).

 

Normenkette

WEG § 5 Abs. 4, § 8 Abs. 2, § 10 Abs. 2, § 13 Abs. 1, § 14 Nr. 1, § 15 Abs. 1, 3, § 22 Abs. 1 S. 2; BGB §§ 242, 1004; NachbG NW § 47 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 29.02.1996; Aktenzeichen 29 T 175/95)

AG Kerpen (Beschluss vom 10.07.1995; Aktenzeichen 15 II 50/93)

 

Tenor

Die Antragsgegner werden unter Aufhebung der Beschlüsse des Landgerichts Köln vom 29. Februar 1996 – 29 T 175/95 – und des Amtsgerichts Kerpen vom 10. Juli 1995 – 15 II 50/93 – verurteilt, die Schwarzkiefer (pinus nigra), die auf der den Antragsgegnern zur Sondernutzung zugewiesenen Gartenfläche auf dem Grundstück L. 26 in F. – Gemarkung K, Flur., Flurstück … – steht, bis auf eine Höhe von höchstens 3 Metern ab dem Erdboden zu stutzen.

Die Gerichtskosten werden den Antragsgegnern als Gesamtschuldnern auferlegt.

Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten jeweils selbst.

Der Geschäftswert wird auf 15.000,– DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Wohnung der Antragsgegner Hegt im Erdgeschoß der betroffenen Wohnanlage. Zur Anlage gehören auch Gartenflächen zur Sondernutzung. Das Sondernutzungsrecht der Antragsgegner umfaßt den an ihre Terrasse angrenzenden Gartenteil.

Dort steht seit etwa fünfzehn Jahren 2,50 Meter vor der Außenwand des Gebäudes die streitige Schwarzkiefer. Der Baum hat derzeit eine Höhe von ungefähr 8 Metern, sein Kronendurchmesser beträgt rund 4 Meter.

Die Wohnung des Antragstellers befindet sich im ersten Obergeschoß direkt über der Wohnung der Antragsgegner. Der Lichteinfall in die Wohnräume des Antragstellers ist durch die Krone der Kiefer beeinträchtigt, die Sicht aus der Wohnung ist eingeschränkt.

Unter Berufung auf die nach seinem Vorbringen unzumutbaren Beeinträchtigungen begehrt der Antragsteller die Stutzung der Kiefer bis auf eine Höhe von höchstens 2 Metern.

Das Amtsgericht hat den Antrag durch Beschluß vom 10. Juli 1995 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht durch Beschluß vom 29. Februar 1996 zurückgewiesen.

Die vom Antragsteller dagegen form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige sofortige weitere Beschwerde (§§ 45 Abs. 1 WEG, 27, 29 FGG) hat in der Sache Erfolg. Denn der angefochtene Beschluß des Landgerichts, der in seiner Begründung auf die des Amtsgerichts Bezug nimmt und dieser folgt, beruht auf einer Verletzung des Gesetzes, §§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO.

Das Amtsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Das Sondernutzungsrecht an der Gartenfläche erlaube den Antragsgegnern die Anpflanzung von Sträuchern und Bäumen. Da die Grenzen dieses Rechts in der Teilungserklärung nicht näher erläutert sind, erscheine es naheliegend, diese aus den Vorschriften des Nachbarrechtsgesetzes für Nordrhein-Westfalen (NachbG NW) vom 15. April 1969 (GV NW 1969, S. 190; geändert durch Gesetz vom 18. Februar 1975, GV NW 1975, S. 190) abzuleiten. Die darin vorgeschriebenen Grenzabstände sollten sicherstellen, daß nicht unzumutbar Licht und Luft von Nachbargrundstücken ferngehalten werden. Nach § 47 NachbG NW könne ein Unterschreiten der Grenzabstände aber sechs Jahre nach der Anpflanzung nicht mehr geltend gemacht werden, so daß ein Anspruch des Antragstellers ausgeschlossen sei.

Das Landgericht hat ergänzt:

Der Anwendung nachbarrechtlicher Vorschriften stehe nicht entgegen, daß es nicht um den Abstand eines Baumes von einer Grundstücksgrenze, sondern von einem Gebäude gehe. Denn die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte seien in beiden Fällen dieselben.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.

Richtig ist allerdings, daß die Antragsgegner auf dem ihnen zugewiesenen Grundstücksteil grundsätzlich Sträucher und Bäume anpflanzen und auch wachsen lassen dürfen. Das ergibt sich aus dem ihnen insoweit zustehenden Sondernutzungsrecht.

Nach § 15 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen, und soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Im vorliegenden Fall ist durch Ziffer I. der Teilungserklärung vom 30. Oktober 1980 nebst Aufteilungsplan, welche die Wirkung einer Vereinbarung hat (§§ 8 Abs. 2, 5 Abs. 4, 10 Abs. 2 WEG), die Nutzung der zur Wohnanl...

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