Leitsatz (amtlich)

›1. Ein Motorradfahrer, der innerorts zwei erkennbar zum Abbiegen nach links eingeordnete und langsam fahrende Kraftfahrzeuge, von denen eines auch Blinkzeichen gibt, links überholt, kann, wenn es zum Zusammenstoß mit einem der abbiegenden Fahrzeuge kommt, für die Schadensfolgen zu 2/3 verantwortlich sein.

2. Bei einer durch einen Verkehrsunfall erlittenen Querschnittslähmung kann ein Schmerzensgeld von 230081,35 EUR (= 450000 DM) angemessen sein.‹

 

Verfahrensgang

LG Trier (Urteil vom 10.10.2002; Aktenzeichen 6 O 109/98)

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagten aus einem Verkehrsunfall zwischen dem Kläger als überholendem Kraftfahrer und dem Erstbeklagten als Linksabbieger. In der Berufungsinstanz ist nach teilweiser Begrenzung des Berufungsangriffs vor allem die Bewertung der verschiedenen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge auf Seiten des Verletzten und des Ersatzpflichtigen im Streit.

Der am 23. Februar 1970 geborene Kläger befuhr am 19. Mai 1995, einem Freitag, gegen 17.05 Uhr in T.... mit seinem Motorrad Marke BMW 750 die L.......... Straße aus Richtung K.....-A.......-Brücke kommend in Richtung R.....brücke. Seine Arbeitsstelle liegt unweit der Unfallstelle an der L.......... Straße; der Kläger befand sich aber nach einer Rückkehr zur Wohnung auf dem Weg in die Innenstadt. Die L.......... Straße verläuft an der Unfallstelle gerade. Die etwa 8,20 m breite gepflasterte Fahrbahn war zur Unfallzeit nicht mit einem Mittelstreifen versehen. Vor dem Kläger fuhr der Zeuge D... mit seinem Pkw VW Golf Cabrio (mit geöffnetem Verdeck), davor der Erstbeklagte mit dem Pkw VW Golf, dessen Halterin die Zweitbeklagte und das bei der Drittbeklagten gegen Haftpflicht versichert ist, in dieselbe Richtung. Die Pkws fuhren dicht hintereinander. Sowohl der Zeuge D... als auch der Erstbeklagte wollten nach links auf das Betriebsgelände der Firma A........ U.... abbiegen, die dort am 2. Mai 1995 ein Geschäftslokal eröffnet hatte. Beide Pkws hatten deshalb ihre Fahrgeschwindigkeit deutlich verlangsamt. Der Erstbeklagte hatte sich zur Fahrbahnmitte hin eingeordnet, fuhr nur noch mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 km/h (Bl. 5 GA) und hatte den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt. Der Kläger überholte das Fahrzeug des Zeugen D... und setzte - für den Erstbeklagten erkennbar - auch zum Überholen des weiteren Fahrzeugs an. Er fuhr etwa mit 50 km/h (vgl. Bl. 270 GA). Der Kläger machte eine Vollbremsung und kam zu Fall, als der Erstbeklagte zum Abbiegen ansetzte; der Kläger rutschte mit seinem Motorrad gegen das Auto des Erstbeklagten. Der Kläger erlitt durch den Unfall eine Querschnittslähmung vom sechsten Brustwirbel an abwärts; er ist wegen Lähmung beider Beine ständig auf einen Rollstuhl angewiesen und hat weitere erhebliche Beeinträchtigungen auf Dauer hinzunehmen. Er befand sich vom Unfalltag bis zum 3. November 1995 in stationärer Krankenhausbehandlung. Es schlossen sich Rehabilitationsmaßnahmen an.

Der Kläger hat in erster Instanz Ersatz seiner materiellen Schäden in Höhe von 53.456,43 DM (27.331,84 Euro), Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 350.000 DM (178.952,16 Euro), Zahlung einer Rente wegen vermehrter Bedürfnisse in Höhe von 500 DM (255,65 Euro) monatlich ab dem 1. Juni 1998 sowie für Rückstände in Höhe einer Gesamtsumme von 18.183,33 DM (9.296,99 Euro) und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden verlangt.

Nachdem das Landgericht durch ein Teilurteil vom 25. Februar 1999 die Schmerzensgeldklage mangels Verschuldensnachweises abgewiesen und die Klageforderung auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle Schäden auf Grund einer Haftungsquote der Beklagten von einem Drittel nur teilweise zugesprochen hatte, hob der Senat das Teilurteil durch Berufungsurteil vom 29. Mai 2000 mit dem bisherigen Verfahren auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück (Bl. 205 ff. GA).

Das Landgericht hat erneut Beweis erhoben und durch Urteil vom 10. Oktober 2002 (Bl. 323 ff. GA) unter Klageabweisung im übrigen die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner (nach Anrechnung vorgerichtlich gezahlter 66.467,94 Euro) zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes von 10.225,84 Euro, die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner zur Zahlung einer monatlichen Rente von 100 Euro wegen vermehrter Bedürfnisse und zur Zahlung eines restlichen Betrages von 291,36 Euro auf den materiellen Schaden verurteilt und festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den in Zukunft entstehenden immateriellen Schaden, die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner auch den materiellen Schaden aus dem Unfallereignis jeweils zu einem Drittel zu ersetzen haben, soweit Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen sind. Das Landgericht hat angenommen, zu Lasten der Beklagten sei eine Verletzung der doppelten Rückschaupflicht und...

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