Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufnahme eines nach dem Urteil erster Instanz durch Insolvenz der Beklagten unterbrochenen Prozesses; Überschuldung einer GmbH & Co. KG nach Überentnahmen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein nach dem Urteil erster Instanz durch Insolvenz der beklagten GmbH & Co. KG unterbrochener Prozess kann vom Gläubiger nach erfolgloser Anmeldung der Forderung beim Insolvenzverwalter mit dem Antrag auf Feststellung zur Insolvenztabelle aufgenommen werden.

2. Bei Forderungen nachrangiger Gläubiger ist das nicht dadurch in Frage gestellt, dass eine Aufforderung des Insolvenzgerichts nach § 174 Abs. 3 InsO fehlt. Erweist die Forderung sich als nachrangig, ist die geänderte Klage nicht als unzulässig, sondern als derzeit unbegründet abzuweisen.

3. Der eigenkapitalersetzende Charakter eines der Insolvenzschuldnerin in der Krise gewährten Darlehens lässt sich nicht dadurch entkräften, dass ein Gesellschafter möglicherweise gehalten ist, eine durch das Eigenkapital nicht gedeckte Überentnahme auszugleichen. Derartiges darf bilanziell nur aktiviert werden, wenn es eine werthaltige Erstattungsverpflichtung des Gesellschafters gibt.

 

Normenkette

InsO §§ 19, 38, 39 Abs. 1 Nr. 5, §§ 174, 179-180; GmbHG §§ 30-31, 32a a.F.; HGB § 172 Abs. 4, § 172a; ZPO §§ 240, 263-264

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Urteil vom 13.05.2003; Aktenzeichen 4 O 230/02)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Mainz vom 13.5.2003 geändert und die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, sofern der Beklagte nicht vor der Vollstreckung eine entsprechende Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht als Alleinerbin ihres 2000 verstorbenen Ehemannes dessen Darlehensrückzahlungsansprüche geltend. Der Erblasser war bis zu seinem Tod beherrschender Gesellschafter der Darlehensnehmerin, einer GmbH & Co. KG, über deren Vermögen nach dem Urteil erster Instanz das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Beklagter ist nunmehr der Insolvenzverwalter.

Der Erblasser gewährte die Darlehen nicht unmittelbar an die Kommanditgesellschaft (im Folgenden: KG). Er hatte vielmehr mit einer Schweizer Bank einen Treuhandvertrag geschlossen. Derart beauftragt gewährte die Bank in eigenem Namen aber auf Rechnung und Gefahr des Erblassers Darlehen an die Insolvenzschuldnerin. Ihren Darlehensrückzahlungsanspruch trat die Bank 2001 an die Klägerin ab. Dementsprechend hat die Klägerin nach Kündigung der Darlehen ursprünglich Zahlung von 347.381,39 EUR nebst Zinsen begehrt.

Die KG ist dem mit der Behauptung entgegengetreten, einer letztwilligen Verfügung des Erblassers aus dem Jahr 1997 sei zu entnehmen, dass die Darlehensrückzahlung im Interesse einer langjährigen Betriebsfortführung nicht vor dem Jahr 2007 beansprucht werden könne. Im Übrigen handele es sich bei den Zahlungen um Eigenkapital ersetzende Darlehen, die allenfalls nach Maßgabe des § 32a GmbHG zurückzugewähren seien.

Das LG hat die KG antragsgemäß verurteilt. Die letztwillige Verfügung aus dem Jahr 1997 enthalte ein Vermächtnis, das der Bedachte indes wirksam ausgeschlagen habe. Vor diesem Hintergrund gehe auch die Anordnung des Erblassers, den Betrieb bis mindestens 2007 weiter zu führen, ins Leere. Die Klage scheitere auch nicht an §§ 30 ff. GmbHG. Denn die Beklagte habe nicht hinreichend dargetan, dass sie bei Gewährung der Darlehen insolvenzreif oder kreditunwürdig gewesen sei. Letztlich könne auch nicht davon ausgegangen werden, die Klägerin habe nach dem Tod des Erblassers die Darlehen bewusst in Weiterfinanzierungsabsicht stehen gelassen.

Gegen das der Klage stattgebende Urteil hatte die KG Berufung eingelegt und sich im Wesentlichen darauf gestützt, bei den Zahlungen habe es sich um eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen gehandelt.

Das sodann durch die Insolvenz unterbrochene Verfahren hat die Klägerin im Juni 2006 wieder aufgenommen mit dem Antrag, den Darlehensrückzahlungsanspruch zur Insolvenztabelle festzu-stellen.

Der Insolvenzverwalter und jetzige Beklagte ist dem unter Hinweis auf § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO entgegen getreten. Eine gerichtliche Aufforderung nach § 174 Abs. 3 InsO sei, was unstreitig ist, noch nicht ergangen. Zur wirtschaftlichen Situation der Insolvenzschuldnerin bei Gewährung der Darlehen hat der jetzige Beklagte Bilanzen und weitere Unterlagen vorgelegt und den erstinstanzlichen Sachvortrag ergänzt.

Die Klägerin meint, dieses Vorbringen könne nach § 531 Abs. 2 ZPO keine Berücksichtigung finden. Jedenfalls sei die KG bei Gewährung der Darlehen weder überschuldet noch kreditunwürdig gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens zur Frage, ob die KG am 29.8...

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